Kristin Lavranstochter 1
eine fremd-ländische Rittersitte sein. Als sie hereinkamen, lag Frau Elin, Herrn Erlings Gemahlin, mit einem schwedischen Ritter auf dem anderen Bett; sie redeten über die Ohrenschmerzen des Königs, wie man hören konnte. Der Schwede sah erfreut aus, als Frau Elin aufstehen und wieder in die Halle zurückgehen wollte.
Als Kristin merkte, daß es Haftor voller Ernst war mit dem, worum er bat, während sie so dalagen und sich unterhielten, war sie vor Erstaunen nicht dazu gekommen, zu erschrecken oder auch nur gehörig böse zu sein. Haftor und sie waren doch beide verheiratet, beide hatten sie Kinder mit ihrem Ehegemahl. Sie hatte wohl nicht so ganz daran geglaubt, daß so etwas wahr sein, so etwas wirklich geschehen könnte. Trotz allem, was sie selbst getan und erlebt hatte - nein, daß so etwas geschehen könnte, hatte sie nicht geglaubt. Voller Lachen und munter und einschmeichelnd war Haftor gewesen - sie brachte es nicht fertig, sich zu sagen, er habe sie verführen wollen; so ernsthaft war er nicht gewesen. Aber er hatte sie doch dazu bringen wollen, die schlimmste Sünde zu begehen.
Er verließ das Bett, sowie sie ihn gehen hieß - er war zahm geworden, schien jedoch mehr erstaunt als beschämt. Und er fragte ganz ungläubig, ob sie wirklich meine, daß verheiratete Leute nie untreu seien. Sie müsse doch schließlich wissen, nur wenige Männer könnten von sich sagen, sie hätten nie eine Buhlerin gehabt. Die Frauen seien vielleicht ein wenig besser, aber...
„Habt Ihr an alles geglaubt, was die Priester von Sünden und ähnlichem predigen, auch damals, als Ihr noch ein junges Mädchen wart?“ fragte er. „Dann verstehe ich nicht, Kristin Lavranstochter, wie es zugehen konnte, daß Erlend seinen Willen bei Euch bekam.“
Er hatte ihr ins Gesicht gesehen - und ihre Augen mußten wohl gesprochen haben, obgleich sie nicht für viel Gold mit Haftor über dieses hätte reden mögen. Denn seine Stimme klang singend hell vor Erstaunen, als er sagte:
„Ich glaubte immer, so etwas würde nur erdichtet - in Liedern.“
Sie hatte niemand gegenüber diese Sache erwähnt, auch nicht Erlend gegenüber. Er konnte Haftor gut leiden. Und wenn es auch entsetzlich war, daß es Menschen gab, die so leichtfertig sein konnten wie Haftor Graut - so hatte sie doch nicht das
Empfinden, es ginge sie dies etwas an. Haftor hatte auch von da an nicht mehr den Versuch gemacht, sich an sie heranzudrängen - jetzt saß er nur da und starrte sie mit weit offener Verwunderung in seinen meerblauen Augen an, wenn er und Kristin zusammentrafen.
Nein, war Erlend leichtsinnig, so war er es jedenfalls nicht auf diese Art. Und war er wirklich so unklug? dachte sie. Sie sah, daß die Leute manchmal, wenn er etwas sagte, stutzten und hinterher die Köpfe zusammensteckten. In Erlend Nikulaussohn Reden stak oft viel Wahrheit und Richtigkeit. Doch sah er niemals das, w a s die anderen Herren nie aus den Augen verloren: die vorsichtige, hinterhältige Klugheit, mit der sie einander bewachten. Ränke nannte es Erlend und brach in sein übermütiges Gelächter aus, das die Leute ein wenig reizte, sie auf die Dauer aber doch entwaffnete. Sie lachten dann auch, schlugen ihm auf die Schulter und sagten, er sei zwar sehr scharfsichtig, aber auch kurzsichtig.
Dann machte er seine eigenen Worte mit übermütigem und gedankenlosem Scherz wieder zunichte. Und die Leute vertrugen bei Erlend viel von dieser Art. Dunkel ahnte sein Weib und fühlte sich dabei gedemütigt - weshalb alle mit seinem unbedachten Mundwerk Nachsicht hatten. Erlend ließ sich zurückschrecken, sobald er einem Mann begegnete, der an seiner Ansicht festhielt; selbst wenn er diese Meinung unmöglich für klug halten konnte, verließ er doch seinen eigenen Standpunkt in allem und jedem, deckte aber seinen Rückzug mit losem Geschwätz über den andern. Und die Leute waren damit zufrieden, daß Erlend diese innere Feigheit besaß - so unbesonnen er im übrigen mit seinem eigenen Wohl und Wehe umging, so abenteuerlustig er war, so tollkühn verliebt in jede Gefahr, der man mit Waffenmacht entgegentreten konnte. Sie brauchten sich trotzdem nicht von Erlend Nikulaussohn beunruhigen zu lassen.
Im Jahr zuvor war der Reichsverweser gegen Ende des Winters in Nidaros gewesen und mit ihm der kleine König. Kristin hatte das große Fest im Königshof besucht. Still und würdig hatte sie mit ihrem seidenen Kopftuch, mit ihrem schönsten Schmuck über dem roten Brautgewand zwischen den
Weitere Kostenlose Bücher