Kristin Lavranstochter 1
den Hof Mandvik Stig Haakonssohn, dem Vetter Halfrids. Er selbst zog nach Dyfrin und blieb den Winter über dort.
Der alte Herr Andres lag mit Wassersucht und vielen Krankheiten und Plagen zu Bett; es ging jetzt mit ihm zu Ende, und er jammerte viel - das Leben war in letzter Zeit auch nicht sehr leicht für ihn gewesen. Es war nicht alles so für seine schönen und vielversprechenden Kinder gekommen, wie er gewollt und erwartet hatte. Simon war viel beim Vater und versuchte mit Gewalt den gleichmäßigen und scherzhaften Ton von früher zu finden, aber der Alte jammerte unaufhörlich. Helga Saksestochter, die Gyrd geheiratet hatte, war so vornehm, daß sie nicht wußte, auf was für Unmöglichkeiten sie verfallen sollte; Gyrd wagte hier auf seinem eigenen Hof keinen Schritt zu tun, ohne seine Frau um Erlaubnis zu fragen. Und dieser Torgrim, der stets und beständig seinem Schwiegervater vorjammerte - nie hätte Torgrim die Tochter bekommen, hätte Herr Andres gewußt, wie widerlich dieser Mann war, der weder zu leben noch zu sterben vermochte. Astrid hatte keine Freude an ihrer Jugend und ihrem Wohlstand, solange ihr Mann lebte. Sigrid ging hier umher, niedergedrückt und vergrämt; Lachen und Übermut hatte sie ganz verlernt, seine liebe Tochter. Warum mußte sie ein Kind bekommen - und Simon keines! Herr Andres weinte, unglücklich und alt und krank. Gudmund war gegen alle Heiraten gewesen, die sein Vater ihm vorgeschlagen hatte, und Herr Andres war so alt und untauglich geworden, daß er den Burschen völlig verwildern ließ.
Aber das Unglück hatte damit begonnen, daß Simon und dieses Bauernmädchen sich ihren Eltern widersetzt hatten. Und das war Lavrans’ Schuld; so wacker er sonst als Mann unter Männern war, brach er doch vor seinen Weibern daheim gleich in die Knie. Das Mädchen hatte wahrscheinlich geschluchzt und geschrien - und sofort war er weich geworden und hatte nach dem vergoldeten Hurenbock im Drontheimischen geschickt, der nicht einmal warten konnte, bis er die Braut mit Weihen empfangen hatte. Wäre Lavrans jedoch in seinem Hause Herr gewesen, dann hätte er, Andres Darre, wohl zeigen können, daß er einem bartlosen jungen Burschen von einem Sohn Vernunft beizubringen vermöchte. Kristin Lavranstochter, die bekam Kinder, die - jeden elften Monat einen zappelnden Sohn, so hatte er gehört.
„Das kommt teuer, Vater“, sagte Simon lachend. „Da wird die Erbschaft bös zerstückelt.“ Er nahm Arngjerd und hob sie auf seinen Schoß - sie war gerade in die Stube hereingetrippelt.
„Ja, die da wird nicht die Ursache sein, daß dein Erbe in zu kleine Teile geht - wer es nun auch einmal teilen wird“, sagte Herr Andres zornig. Er hatte die Sohnestochter in einer Weise ganz gern, aber es kränkte ihn, daß Simon ein Hurenkind bekommen hatte. „Hast du an eine neue Heirat gedacht, Simon?“ „Laß doch Halfrid erst kalt werden in ihrem Grab, Vater“, sagte Simon und fuhr über das falbe Haar des Kindes. „Ich werde mich schon wieder verheiraten - aber solche Eile hat es doch wohl nicht.“
Dann nahm er die Armbrust und die Schneeschuhe und ging in den Wald, um ein wenig Luft zu schöpfen; er verfolgte mit seinen Hunden den Elch auf dem Harsch, oder er schoß Auerhähne von den Baumwipfeln, schlief in den Nächten in der Waldalm von Dyfrin und war froh, allein zu sein.
Es scharrte draußen auf dem Harsch von Schneeschuhen, die Hunde fuhren auf, und von draußen antwortete Hundegebell. Simon schlug die Tür in die mondblaue Nacht hinaus auf, und herein kam Gyrd, schlank und groß und schön und still. Er sah jetzt jünger aus als Simon, der stets ein wenig fett gewesen und in den Jahren auf Mandvik noch ein gut Teil schwerer geworden war.
Den Ranzen mit Mundvorrat zwischen sich, saßen die Brüder da, aßen, tranken und blickten ins Feuer.
„Du hast wohl gemerkt“, sagte Gyrd, „daß Torgrim großen Lärm schlagen wird, wenn der Vater einmal nicht mehr ist - und er hat Gudmund auf seine Seite gebracht. Und Helga. Sie wollen Sigrid nicht das volle Schwesternteil zugestehen.“
„Ich habe das bemerkt. Aber ihr Erbteil muß sie bekommen, das sollten wir, du und ich, doch wohl durchsetzen können, Bruder.“
„Am besten wäre es wohl, wenn Vater selbst dies noch ordnete, ehe er stirbt“, meinte Gyrd.
„Nein, laß den Vater in Frieden sterben“, meinte Simon. „Wir beide werden es wohl zuwege bringen, unsere Schwester zu beschützen, so daß sie ihr nicht die Haut abziehen können,
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