Kristin Lavranstochter 1
wenigsten annahm - er war in einer Zeit zur Welt gekommen, da sie von der Pflege Naakkves erschöpft war, und Gaute war so rasch nach ihm gekommen. Er war das kräftigste von den Kindern, gewiß auch das klügste, aber wortkarg. Erlend liebte diesen Sohn am meisten.
Obwohl es Erlend nicht voll zum Bewußtsein kam, war er ein wenig gegen Naakkve eingenommen, weil der Knabe ungelegen gekommen war und nach Erlends Vater genannt wurde. Und Gaute war nicht so, wie er erwartet hatte. Der Knabe hatte einen großen Kopf, begreiflicherweise, denn zwei Jahre lang hatte es geschienen, als wüchse an ihm nur der Kopf - nun kam der Körper gut nach. Sein Verstand war zwar ganz gut, aber er sprach sehr langsam, denn wenn er rasch redete, geriet er ins
Stottern oder Stammeln, und dann machte sich Margret über ihn lustig. Kristip war diesem Knaben gegenüber sehr schwach, obwohl, wie Erlend meinte, gewissermaßen doch der Älteste ihr Lieblingskind war - aber Gaute war so schwach gewesen, und er glich ein wenig ihrem Vater, mit dem flachsgelben Haar und den dunklen grauen Augen, und er hing sehr an der Mutter. Ein wenig vereinsamt lebte er zwischen den beiden Ältesten, die immer zusammenhielten, und den Zwillingen dahin, die noch so klein waren, daß sie noch ihre Pflegemütter hatten.
Kristin hatte jetzt weniger Zeit für die Kinder, und sie mußte sie mehr als früher, wie andere Frauen, den Dienstmägden überlassen, die Ältesten aber zogen es schon vor, mit den Männern auf dem Hof herumzulaufen. Sie grübelte nicht mehr mit der alten, krankhaften Zärtlichkeit über die Kinder nach, sondern spielte und lachte mit ihren Söhnen, wenn sie Zeit dazu fand, sie um sich zu versammeln.
Um die Zeit des Jahreswechsels traf auf Husaby ein Brief mit Lavrans Björgulvssohns Siegel ein. Er war von seiner eigenen Hand geschrieben und durch den Priester in Orkedal gesandt, der im Süden gewesen war; der Brief war also zwei Monate alt. Die größte Neuigkeit, die darin stand, war, daß Lavrans seine Tochter Ramborg dem Simon Andressohn auf Formo verlobt hatte. Die Hochzeit sollte im Frühjahr zur Zeit der Kreuzmesse stattfinden.
Kristin war über alle Maßen erstaunt. Aber Erlend sagte, er habe sich wohl gedacht, daß es so kommen würde - schon damals, als er erfahren habe, daß Simon Darre Witwer geworden sei und sich nach dem Tode des alten Herrn Andres Gudmundssohn auf seinem Hof in Sil niedergelassen habe.
5
Simon Darre hatte es hingenommen wie etwas, was so sein müsse, als sein Vater für ihn die Heirat mit der Tochter von Lavrans Björgulvssohn verabredete. Es war in seiner Sippe stets der Brauch gewesen, daß die Eltern in solchen Dingen verfügten. Er hatte sich gefreut, als er sah, wie schön und lieblich die Braut war. Im übrigen hatte er nie etwas anderes gedacht, als daß er mit jener Frau gut auskommen würde, die der Vater ihm erwähle. Kristin und er paßten nach Alter, Wohlstand und Geburt gut zusammen - war Lavrans auch von etwas höherer Geburt, so war dafür Simons Vater Ritter gewesen und hatte König Haakon nahegestanden, während der andere immer zurückgezogen auf seinen Höfen gelebt hatte. Und Simon hatte stets gesehen, daß verheiratete Leute gut zusammen auskamen, wenn sie einander ebenbürtig waren. - Dann kam jener Abend im Dachraum auf Finsbrekken - als die Leute das unschuldige junge Mädchen vernichten wollten. Von jener Stunde an hatte er wohl gewußt, daß er seine Braut mehr liebte als nur so, wie es eben sein sollte. Er hatte nicht viel darüber nachgedacht, er war nur froh gewesen; zwar sah er, daß das Mädchen scheu und schüchtern ihm gegenüber war, aber auch darüber dachte er nicht nach. Dann kam die Zeit in Oslo, da er über diese Dinge nachdenken mußte - und dann jener Abend im Dachraum des Flugahofes.
Er war in etwas hineingeraten, von dem er geglaubt hatte, daß es in der Welt nicht Vorkommen könne - zwischen ehrbaren Leuten aus gutem Geschlecht und in der jetzigen Zeit. Geblendet und verwirrt taumelte er aus seiner Verlobung heraus - sein äußeres Wesen aber war kühl und ruhig und gleichmäßig, als er mit seinem Vater und mit ihrem Vater über die Angelegenheit sprach.
So hatte er sich außerhalb der Gepflogenheiten seiner Sippe gestellt; und dann tat er das, was ebenfalls in seinem Geschlecht unerhört war: ohne sich überhaupt mit seinem Vater zu beraten, freite er um die reiche junge Witwe auf Mandvik. Es blendete ihn, als er merkte, daß Frau Halfrid ihn leiden konnte;
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