Kristin Lavranstochter 1
sitzen, und da das Wetter nun sehr schlecht geworden war, nahm er mit Dank ein Lager für die Nacht an.
Es waren zwei Betten in der oberen Stube. Ragnfrid schmückte das eine für den Gast, und nun handelte es sich darum, wo Ramborg schlafen sollte - bei den Eltern oder in einem anderen Haus.
„Nein, ich will in meinem eigenen Bett liegen“, sagte das Kind. „Darf ich nicht bei dir schlafen, Simon?“ bat sie.
Der Vater sagte, der Gast solle nicht mit Kindern im Bett geplagt sein, aber Ramborg drang weiter darauf, daß sie bei Simon schlafen wolle. Schließlich sagte Lavrans streng, sie sei zu groß, um das Bett mit einem fremden Mann zu teilen.
„Nein, Vater, das bin ich nicht“, trotzte sie. „Ich bin doch nicht zu groß, Simon?“
„Du bist zu klein“, antwortete Simon lachend. „Verlange in fünf Jahren, bei mir zu schlafen, dann werde ich gewiß nicht nein sagen. Dann aber wirst du wohl einen anderen Mann haben wollen als einen häßlichen und dicken alten Witwer, kleine Ramborg!“
Lavrans schien den Scherz nicht zu lieben, er sagte scharf, sie solle nun den Mund halten und sich im Bett der Eltern schlafen legen. Aber Ramborg rief doch noch:
„Jetzt hast du um mich gebeten, Simon Darre, so daß mein Vater es hören konnte!“
„So ist es“, antwortete Simon lachend. „Aber ich fürchte, er wird mir ein Nein zur Antwort geben, Ramborg.“
Von diesem Tag an waren die Bewohner von Formo und Jörundhof ständig beisammen. Ramborg kam zum Nachbarhof, sooft sie Gelegenheit dazu hatte, spielte mit Arngjerd, als sei das Kind ihre Puppe, lief mit Sigrid umher, half bei der Hausarbeit und setzte sich auf Simons Schoß, wenn sie alle in der Stube waren. Er gewöhnte sich dabei an, so mit dem Mädchen zu scherzen und es zu liebkosen, wie er in früheren Zeiten getan hatte, als sie und Ulvhild für ihn die Stelle von Schwestern einnahmen.
Simon hatte zwei Jahre in dem Tal gelebt, als Geirmund Hersteinssohn auf Kruke um Sigrid Andrestochter freite. Das Geschlecht auf Kruke war ein altes Freibauerngeschlecht, aber wenn auch der und jener unter den Männern in der Gefolgschaft der Könige gedient hatte, so war der Name dieser Sippe doch nie über die Grenzen der Gemeinde hinaus bekannt geworden. Dennoch war diese Heirat so gut, wie Sigrid sich nur erwarten durfte, und sie selbst wollte gern mit Geirmund verheiratet sein. So schlossen denn ihre Brüder den Handel ab, und Simon richtete der Schwester die Hochzeit bei sich aus.
Eines Abends kurz zuvor, während sie eifrig hin und her liefen, um alles zu dem Gastgelage vorzubereiten, sagte Simon im Scherz, er könne sich nicht denken, wie es jetzt mit seinem Haus gehen solle, wenn Sigrid ihn verlasse. Da sagte Ramborg:
„Du mußt dich zwei Jahre lang behelfen, Simon, so gut du kannst. Mit vierzehn Jahren ist ein Mädchen zur Heirat reif, dann kannst du mich ja zu dir heimnehmen.“
„Nein, dich will ich nicht haben“, sagte Simon lachend. „Ich traue mir nicht zu, ein so wildes Mädchen wie dich im Zaum zu halten.“
„Stille Wasser sind am trügerischsten, sagt mein Vater“, gab Ramborg zurück. „Ich bin wild, das bin ich. Meine Schwester war zahm und still. Hast du Kristin jetzt vergessen, Simon Andressohn?“
Simon sprang von der Bank auf, nahm das Mädchen in seine Arme und hob sie bis zu seiner Schulter empor, er küßte sie auf den Hals, so daß ein roter Fleck davon entstand. Entsetzt und erstaunt ließ er sie los, packte Arngjerd, drückte und preßte sie ebenso an sich, um es zu verwischen. Er tollte und jagte mit den Mädchen herum, mit dem halberwachsenen und dem kleinen, so daß sie auf Tische und Bänke flüchteten, und zuletzt setzte er sie bei der Türe auf den Querbalken hinauf und lief davon. - Sie sprachen fast nie von Kristin, drüben auf Jörundhof - in seinem Beisein.
Ramborg Lavranstochter wuchs heran und wurde schön. Das Gerede der Leute war schon eifrig dabei, sie zu verheiraten. Eine Zeitlang war es Eindride Haakonssohn von den Valders-Gjeslingern. Sie waren zwar im vierten Glied miteinander verwandt, aber Lavrans und Haakon waren beide so reich, daß sie es sich wohl leisten konnten, dem Papst in Welschland einen Brief zu senden, um Dispens zu erhalten. Damit konnten einige der alten Rechtsstreitigkeiten ein Ende finden, die sich hingezogen hatten, seitdem die alten Gjeslinger auf Herzog Skules Seite gestanden und König Haakon ihnen ihre Güter in Vaage genommen und an Sigurd Eldjarn gegeben hatte. Ivar, der junge
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