Kristin Lavranstochter 1
da und nähte, ebenso in ihre Arbeit vertieft, wie er in die seinige vertieft gewesen war.
Simon tat es herzlich leid. Leid, daß er seine Frau so gekränkt hatte, und leid, daß er sich mit dem Mädchen eingelassen hatte, und ärgerlich war er, weil er die Vaterschaft auf sich genommen hatte. Er selbst war seiner Sache durchaus nicht sicher - Jorunn ließ sich leicht gewinnen. Eigentlich hatte er sie nie gemocht; sie war häßlich, besaß jedoch eine flinke Zunge, und es machte Spaß, mit ihr zu reden, und sie war es gewesen, die im vergangenen Winter stets auf ihn gewartet hatte, wenn er spät heimkam. Er hatte übereilt geantwortet, in der Meinung, seine Frau würde klagen und ihn anschuldigen. Das war dumm gedacht, er hätte wissen müssen, daß sich Halfrid dazu für viel zu gut hielt. Aber nun war es geschehen - und seine eigenen Worte verneinen wollte er nicht. So mußte er sich denn damit abfinden, Vater des Kindes seiner Magd zu heißen, ob er wollte oder nicht.
Halfrid erwähnte die Sache erst nach Jahresfrist wieder; da fragte sie eines Tages, ob er wisse, daß Jorunn nach Borg verheiratet werden solle. Simon wußte das sehr wohl, denn er selbst hatte ihr eine Aussteuer gegeben. Wo das Kind erzogen werden solle, fragte seine Frau. Bei den Eltern der Mutter, wo es jetzt sei, erwiderte Simon. Da sagte sie:
„Mich dünkt, es würde sich besser geziemen, wenn deine Tochter hier auf deinem Hof aufwüchse.“
„Auf deinem Hof, meinst du?“ fragte Simon.
Über das Antlitz der Frau fuhr ein leises Beben.
„Das weißt du doch wohl, mein Gemahl, solange wir beide leben, bist du der Herr hier auf Mandvik“, sagte sie.
Simon trat auf sie zu und legte die Hände auf die Schultern seiner Frau.
„Wenn es wirklich so ist, meine Halfrid, daß du meinst, du könntest es ertragen, dieses Kind hier bei uns zu sehen, so will ich dir viel Dank für deine Großmut wissen.“
Der Vorschlag war ihm nicht recht. Er hatte das Kind einige Male gesehen; es war ein ziemlich häßliches Mädchen, und er konnte keinerlei Ähnlichkeit mit sich oder einem aus seiner Sippe erkennen. Er glaubte weniger denn je, daß er der Vater war. Und er war tief verärgert, als er erfuhr, daß Jorunn die Kleine hatte Arngjerd taufen lassen, nach seiner Mutter, ohne ihn um Erlaubnis zu fragen. Aber nun mußte er Halfrid ihren Willen lassen. Sie holte das Kind nach Mandvik, beschaffte eine Amme und sorgte selbst dafür, daß der Kleinen nichts fehlte. Wenn ihr das Kind vor die Augen kam, nahm sie es oft selbst auf den Schoß und gab sich mit ihm ab, freundlich und liebevoll. Und je öfter Simon die Kleine sah, desto besser konnte er sie leiden -er war sehr kinderlieb. Jetzt glaubte er auch einige Ähnlichkeit zwischen Arngjerd und sich zu erkennen. Es war wohl denkbar, daß Jorunn klug genug gewesen war, sich im Zaum zu halten, nachdem der Herr selbst ihr zu nahe gekommen war. So war Arngjerd doch wohl seine Tochter, und das, wozu Halfrid ihn überredet hatte, war das beste und ehrenhafteste.
Als sie fünf Jahre verheiratet waren, gebar Halfrid ihrem Gatten einen gesunden Knaben. Sie war durchstrahlt vor Glück; gleich nach der Geburt jedoch wurde sie schwer krank, und es war allen bald klar, daß sie sterben mußte. Trotzdem war sie getrosten Mutes, als sie ein letztes Mal noch eine Weile bei Sinnen war. „Nun wirst du hier auf Mandvik sitzen, Simon, und für dein und mein Geschlecht über alles verfügen“, sagte sie zu ihrem Mann.
Von da an nahm das Fieber so stark zu, daß sie nichts mehr von sich wußte, und so drang, während sie noch über der Erde war, der Kummer, daß der Knabe einen Tag vor ihr starb, nicht mehr bis zu ihrem Bewußtsein vor. Und in der anderen Heimat empfand sie wohl keinen Kummer mehr darüber, sondern war froh, daß sie ihren Erling bei sich hatte, dachte Simon.
Simon erinnerte sich später, daß er in jener Nacht, da die beiden Leichen oben im Dachraum lagen, an einem Zaun stand, der einen Acker zum Fjord hinunter eingrenzte. Es war kurz vor der Jonsmesse, und die Nacht war so hell, daß der Vollmond kaum zu leuchten vermochte. Das Wasser lag blank und bleich da und gluckste und rieselte ein wenig am Strand. Simon hatte kaum mehr als eine Stunde geschlafen seit jener Nacht, da der Knabe geboren wurde - dies schien ihm nun sehr lange her, und er war so müde, daß er kaum Trauer zu empfinden vermochte.
Damals war er siebenundzwanzig Jahre alt.
Als im Lauf des Sommers das Erbe geteilt war, übergab Simon
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