Kristin Lavranstochter 1
weil sie so ins Unglück gekommen ist.“
Die Erben Herrn Andres Darres schieden in bitterer Feindschaft. Gyrd war der einzige, von dem Simon Abschied nahm, als er das Heim verließ - und Simon wußte, daß Gyrd mit seiner Frau jetzt nicht die schönsten Tage haben würde. Sigrid nahm er mit sich nach Formo; sie sollte ihm sein Haus führen, und er wollte ihre Besitztümer verwalten.
An einem graublauen Tag zur Zeit der Schneeschmelze, als der Erlenwald am Fluß braun von Knospen war, ritt er auf seinem eigenen Hof ein. Als er, mit Arngjerd auf dem Arm, das Wohnhaus betreten wollte, fragte Sigrid Andrestochter:
„Warum hast du so gelächelt, Simon?“
„Habe ich gelächelt?“
Er hatte gedacht, daß dies eine andere Heimkunft sei, als er sie sich einmal erwartet hatte - für jenen Tag, an dem er hier auf dem Hof seiner Vatermutter seinen Wohnsitz nehmen würde. Eine verführte Schwester und ein Buhlenkind, das waren nun seine Nächsten.
Im ersten Sommer sah er nicht viel von den Leuten auf Jörundhof; er mied sie mit Absicht.
Aber am Sonntag nach der letzten Marienmesse im Herbst fügte es sich so, daß er in der Kirche neben Lavrans Björgulvssohn stand und daß sie beide es waren, die einander den Messekuß geben sollten, als Sira Eirik geboten hatte, den Frieden der heiligen Kirche im eigenen Herzen walten zu lassen. Und als Simon die schmalen, trockenen Lippen des älteren Mannes an seiner Wange fühlte und das Gebet des Friedens über sich flüstern hörte, ward er seltsam ergriffen. Er verstand, daß dies alles für Lavrans mehr bedeutete als nur die Erfüllung eines Kirchenbrauches.
Als die Messe zu Ende war, eilte Simon hinaus, traf jedoch bei den Pferden mit Lavrans zusammen, der ihn bat, mit nach Jörundhof zu kommen und zur Mahlzeit zu bleiben. Simon antwortete, seine Tochter sei krank und seine Schwester säße allein bei ihr. Da wünschte Lavrans dem Kinde gute Besserung und reichte Simon die Hand zum Abschied.
Einige Tage danach hatten die Leute auf Formo schwer zu arbeiten, um die Ernte hereinzubringen, denn das Wetter sah unsicher aus. Als am Abend der erste Schauer losbrach, war der größte Teil des Getreides unter Dach. Simon lief im strömenden Regen über den Hofplatz, breites goldenes Sonnenlicht, das durch die Wolken brach, beleuchtete das Wohnhaus und die Felswand dahinter - da sah er ein kleines Mädchen im Regen und in der Sonne vor der Türe zum Wohnhaus stehen. Die Kleine hatte seinen Lieblingshund bei sich - nun riß sich dieser los und sprang an ihm empor, und von seinem Halsband hing ein gewebter Frauengürtel auf die Erde hinab.
Er sah, daß das Mädchen ein Kind vornehmer Leute war - sie hatte zwar keinen Umhang und war barhäuptig, aber ihr weinrotes Kleid war aus ausländischem Tuch, bestickt und an der Brust mit einer vergoldeten Schließe zusammengeheftet. Eine seidene Schnur hielt das stark gelockte, regendunkle Haar aus der Stirn zurück. Die Kleine hatte ein munteres, zierliches Gesicht mit breiter Stirn und spitzem Kinn, große und strahlende Augen, und ihre Wangen waren flammend rot, als sei sie rasch gelaufen.
Simon ahnte, wer die Kleine war, und begrüßte sie mit ihrem Namen, Ramborg.
„Was ist der Anlaß, daß du mich so ehrst und uns besuchst?“
„Der Hund“, sagte sie, während sie ihm ins Haus folgte, um vor dem Regen geschützt zu sein. Das Tier habe sich angewöhnt, nach Jörundhof hinüberzulaufen; nun bringe sie es zurück. Ja, sie wisse, daß es sein Hund sei, sie habe gesehen, wie er neben ihm, Simon, einherlaufe, wenn er ausreite. Simon schalt sie ein wenig aus, weil sie allein hierhergegangen war; er sagte, er wolle Pferde satteln lassen und sie selbst nach Hause begleiten. Aber zuerst müsse sie etwas zu essen bekommen. Ramborg lief sofort zu dem Bett hinüber, wo die kranke kleine Arngjerd lag; beide, das Kind und Sigrid, freuten sich über den Gast, denn Ramborg war frisch und lebhaft. Sie glich nicht ihren Schwestern, fand Simon.
Er ritt mit Ramborg bis dorthin, wo der eingezäunte Weg zum Hof abzweigte, und hätte dort umgedreht, wäre er nicht Lavrans begegnet, der soeben erfahren hatte, daß das Kind nicht bei seinen Gespielinnen auf Laugarbru war; er wollte gerade mit seinen Leuten ausreiten, um zu suchen - er war sehr besorgt. Simon mußte nun mit ins Haus kommen, und als er erst einmal in der Stube im Oberstock saß, verließ ihn seine Scheu, und er fand sich bald mit Ragnfrid und Lavrans zurecht. Sie blieben noch lange beim Trunk
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