Kristin Lavranstochter 1
und noch einem Mann begleitet. Er kam während der ganzen Fastenzeit nicht mehr nach Husaby, sondern Ulv holte seine Gefolgschaft und zog mit ihnen fort, um Erlend beim Mittfastenthing in Orkedal zu treffen.
Als Ulv mit Kristin allein war, erzählte er, Erlend habe mit Tiedeken Paus, dem deutschen Goldschmied in Nidaros, verabredet, daß Margret gleich nach Ostern mit Tiedekens Sohn Gerlak verheiratet werden sollte.
Erlend kam zu den Feiertagen heim. Er war jetzt ruhig und gefaßt, aber Kristin schien zu verstehen, daß er über diese Sache nicht so leicht hinwegkommen würde, wie er über so vieles andere hinweggekommen war - ob es nun daran lag, daß er doch nicht mehr so jung war, oder daran, daß bisher nichts ihn so tief gedemütigt hatte. Margret schien allem, was ihr Vater für sie angeordnet hatte, ganz gleichgültig gegenüberzustehen.
Eines Abends, als Mann und Frau allein waren, sagte Erlend aber doch:
„Wäre sie mein eheliches Kind gewesen oder ihre Mutter eine unverheiratete Frau - nie hätte ich sie einem Fremden gegeben, während es so um sie steht; ich hätte ihr und dem Ihren Schutz und Schirm geboten. Dies ist das Ärgste - aber bei ihrer Geburt kann wohl ein Ehegatte sie am besten schützen.“
Aber während Kristin alles für das Scheiden der Stieftochter vorbereitete, sagte Erlend eines Tages kurz:
„Du fühlst dich wohl nicht so gesund, daß du mit uns zur Stadt kommen könntest?“ *
„Du weißt doch, daß ich mitkommen werde, wenn du es wünschest“, sagte Kristin.
,Warum sollte ich es wünschen? Hast du früher nicht Mutterstelle an ihr vertreten, so brauchst du es auch jetzt nicht zu tun -eine freudige Hochzeit wird es nicht. Und Frau Gunna auf Raasvold und ihre Schwiegertochter haben versprochen, sich der Verwandtschaft zu erinnern und zu kommen.“
So blieb Kristin auf Husaby, während Erlend in Nidaros seine Tochter Gerlak Tiedekenssohn zur Ehe gab.
3
In diesem Sommer, kurz vor Johanni, kehrte Gunnulv Nikulaussohn in sein Kloster zurück. Erlend war zum Frühjahrsthing in der Stadt; er sandte einen Boten heim, ob Kristin imstande sei, in die Stadt zu kommen, um den Schwager zu begrüßen. Kristin ging es nicht sonderlich gut, sie kam aber dennoch. Als sie mit Erlend zusammentraf, sagte dieser, es scheine ihm, als sei die Gesundheit des Bruders völlig zerrüttet. Sie hatten keinen besonderen Erfolg gehabt mit ihrem Zug, die Brüder dort oben im Munke-Fjord. Die von ihnen erbaute Kirche wurde nie eingeweiht, denn der Erzbischof konnte in diesen unruhigen Zeiten nicht nach dem Norden kommen; sie hatten während der ganzen Zeit die Messen an ihrem Reisealtar abhalten müssen. Schließlich gingen ihnen Brot und Wein und Kerzen und Öl zu den Gottesdiensten aus, und als Bruder Gunnulv und Bruder Aslak nach Vargöy segeln wollten, um das Fehlende zu holen, hatten die Lappen einen Zauber ausgesprochen, so daß das Boot kenterte und sie drei Tage und Nächte auf einer Schäre zubringen mußten. Seitdem waren sie beide krank gewesen, und Bruder Aslak war nach Verlauf einiger Zeit gestorben. Während der Langen Fasten hatten sie sehr an Skorbut gelitten, denn es fehlten ihnen Speisen aus Mehl und Pflanzen zum Dörrfisch. Da hatten Bischof Haakon von Björgvin und Meister Arne, der an der Spitze des Domkapitels in Nidaros stand, während Herr Paal in der Kurie war und die Weihe empfing, jenen Mönchen, die noch am Leben waren, befohlen, heimzukehren; an ihrer Stelle sollten einstweilen die Priester auf Vargöy die Herde am Munke-Fjord warten und pflegen. -
Aber obwohl Kristin nicht unvorbereitet war, entsetzte sie
sich doch sehr, als sie Gunnulv Nikulaussohn wiedersah. Sie begleitete Erlend am nächsten Tag zum Kloster, wo sie in die Sprechstube geführt wurden. Der Mönch kam herein - er ging gebeugt, der Haarkranz war ganz grau geworden, unter den eingesunkenen Augen war die Haut faltig und dunkelbraun, aber in dem glatten weißen Gesicht sah man bleifarbene Flecke, und die gleichen Flecke hatte er auch auf der Hand, als er diese aus dem Kuttenärmel zog und sie ihr entgegenstreckte. Er lächelte - und sie sah, daß er mehrere Zähne verloren hatte.
Sie setzten sich und redeten eine Weile miteinander, aber es war, als habe Gunnulv auch das Reden verlernt. Er sagte es selbst, ehe die anderen gingen.
„Aber du, Erlend, bist derselbe - du scheinst nicht älter geworden zu sein“, meinte er und lächelte ein wenig.
Kristin wußte sehr wohl, daß sie jetzt elend aussah. Und
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