Kristin Lavranstochter 1
war. Sie berichtete von dem Gespräch da draußen.
Simon saß auf einem Hocker, ein wenig von ihr entfernt. Etwas vorgebeugt, die Arme auf den Schenkeln ruhen lassend und mit herabhängenden Händen saß er da und blickte mit einem seltsam forschenden Ausdruck in den kleinen, scharfen Augen zu ihr auf. Er redete nicht ein Wort, und nicht ein Muskel rührte sich in seinem großen breiten Gesicht.
Da sprach sie davon, daß sie es ihrem Vater erzählt hatte und was er darauf erwidert hatte.
Simon saß wie zuvor, unbeweglich. Aber nach einer Weile sagte er ruhig:
„Das war die einzige Bitte, die ich in all den Jahren, seit wir einander kennen, an dich gerichtet habe - wenn ich mich recht erinnere -, ich bat dich, du möchtest - aber wenn du dies nicht verschweigen konntest, um Lavrans zu schonen, dann ...“
Kristin zitterte am ganzen Leibe.
„Ja. Aber... Ach Erlend, Erlend, Erlend ...“
Bei diesem wilden Schrei fuhr der Mann auf - Kristin hatte sich nach vorn geworfen, den Kopf in ihre Arme vergraben, schwankte sie von einer Seite zur anderen und fuhr fort, nach Erlend zu rufen, zwischen bebendem, stöhnendem Schluchzen, das sich aus ihrem Körper herausriß, ihren Mund mit Weinen füllte und überzukochen und zu quellen schien.
„Kristin - in Jesu Namen!“
Als er sie bei den Armen ergriff und sie zu beruhigen suchte, warf sie sich mit der ganzen Schwere ihres Körpers gegen ihn, umschlang seinen Hals, während sie weinend immer wieder und wieder den Namen ihres Mannes rief.
„Kristin - nimm dich zusammen..." Er zog sie auf seinen Schoß und merkte, daß sie es nicht fühlte, sie weinte so, daß sie nicht allein aufrecht stehen konnte. Da hob er sie in seinen Armen auf - preßte sie einen Augenblick an sich, dann trug er sie hinüber und legte sie aufs Bett.
„Nimm dich zusammen“, bat er wieder, mit erstickter Stimme und beinahe drohend - legte seine Hände über ihr Gesicht, und sie umfaßte seine Handgelenke und Arme und drängte sich an ihn.
„Simon - Simon - oh, er muß gerettet werden ...“
„Ich tue, was ich kann, Kristin - jetzt mußt du dich beherrschen!“ Er wandte sich schroff ab, trat zur Tür und ging hinaus. Dann rief er so laut, daß es zwischen den Häusern hallte, der Dienstmagd, die Kristin sich hier in Oslo gedungen hatte. Diese kam herbeigelaufen, und Simon befahl ihr, zu ihrer Herrin hineinzugehen. Gleich darauf kam das Mädchen wieder heraus -ihre Frau wolle allein sein, sagte sie erschrocken zu Simon, der noch auf derselben Stelle stand. Er nickte und ging zum Stall hinüber, blieb dort, bis Gunnar, sein Knecht, und Ulv Haldorssohn kamen, um die Pferde zu füttern. Simon fing ein Gespräch mit ihnen an und ging dann zusammen mit Ulv wieder in die Stube zurück.
Kristin sprach am nächsten Tag nicht viel mit ihrem Schwager. Nach der None, als sie in der Stube saß und an einem Stück Zeug nähte, das sie ihrem Mann mitbringen wollte, kam Simon, ohne ein Wort zu Kristin zu sagen oder sie anzusehen, hereingelaufen und riß seine Reisetruhe auf, nahm seinen silbernen Becher, füllte ihn mit Wein und rannte wieder hinaus. Kristin stand auf und ging ihm nach. Vor der Tür stand ein fremder Mann und hielt noch sein Pferd - Simon zog einen goldenen Ring vom Finger, ließ ihn in den Becher fallen und trank dem Angekommenen zu.
Kristin erriet, worum es sich handelte, und rief froh:
„Du hast einen Sohn bekommen, Simon!“
„Ja.“ Er schlug dem Boten auf die Schulter, als dieser dankend Ring und Becher in seinem Kittel verwahrte. Dann nahm Simon die Schwester seiner Gattin um die Mitte und drehte sie im Kreis herum. Er sah so froh aus, daß Kristin ihre Hände auf seine Schultern legen mußte - da küßte er sie mitten auf den Mund und lachte laut.
„So wird wohl die Darre-Sippe nach dir auf Formo weiterleben, Simon“, sagte sie froh.
„Das wird sie - so Gott will. - Nein, heute abend will ich allein gehen“, sagte er, als Kristin fragte, ob sie miteinander zur Abendmesse gehen wollten.
Am Abend sagte er zu Kristin, er habe erfahren, daß Erling Vidkunssohn sich auf seinem Hof Aker bei Tunsberg aufhalte. Und an diesem Vormittag habe er sich eine Schiffsgelegenheit den Fjord hinunter verschafft - er wolle mit Herrn Erling über Erlends Angelegenheit sprechen.
Kristin sagte nicht viel. Sie hatten früher flüchtig die Frage berührt, ob Herr Erling von Erlends Vorhaben gewußt habe oder nicht, hatten aber vermieden, näher darauf einzugehen. Simon sagte, er wolle Erling
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