Kristin Lavranstochter 1
Zutritt zu seinem Vetter zu erhalten. Als der Ritter weg war, lachte Ulv und sagte, er glaube nicht, daß Munan so hart darauf gedrungen habe, Erlend sehen zu dürfen - er habe eine solche Angst davor, in die Sache verwickelt zu werden, daß er es kaum vertrage, davon reden zu hören. Munan war recht alt geworden, sehr kahl und abgemagert, die Haut hing ihm ganz schlaff um den massigen Körper. Er lebte draußen auf Skogheim und hatte eine seiner Buhlentöchter, eine Witwe, bei sich. Er wäre sie gern losgeworden, denn keines seiner anderen Kinder, weder die ehelichen noch die unehelichen, wollte in sein Haus kommen, solange diese Halbschwester dort regierte; sie war ein herrschsüchtiges und geldgieriges Weib und hatte eine scharfe Zunge. Aber Munan wagte nicht, sie wegzuschicken.
Endlich, gegen Neujahr, verschaffte Olav Kyrning Kristin und Simon die Erlaubnis, den Gefangenen zu sehen. So mußte also Simon wiederum die sorgenvolle Frau zu den herzzerreißenden Zusammenkünften begleiten. Es wurde hier viel strenger als in Nidaros darüber gewacht, daß Erlend mit niemand sprechen konnte, außer wenn die Leute des Schloßhauptmanns dabei waren.
Erlend war ruhig wie zuvor, aber Simon merkte, daß der
Zustand, in dem er sich befand, ihn allmählich anzugreifen begann. Er klagte niemals, sondern sagte, daß er keine Entbehrungen erleide und alles so gut bekomme, wie es ihm nur verschafft werden könne, aber er gab zu, daß die Kälte ihm ziemlich zusetze; es war keine Feuerstätte in dem Raum. Und auch sehr reinlich konnte er sich nicht halten - obwohl ihm die Zeit hier wohl noch viel länger geworden wäre, hätte er sich nicht mit all den Läusen herumschlagen müssen, meinte er lachend.
Auch Kristin war ruhig - so ruhig, daß Simon in atemloser Angst auf den Tag wartete, da sie wohl völlig zusammenbrechen würde.
König Magnus machte seine Huldigungsreise durch Schweden, und es bestand keine Aussicht dafür, daß er in allernächster Zeit an die Landesgrenzen kommen oder daß in Erlends Lage bald eine Veränderung eintreten würde.
Am Tage der Gregorsmesse (13. Februar) waren Kristin und Ulv Haldorssohn in der Kirche von Nonneseter gewesen. Als sie auf dem Heimweg die Brücke über den Nonnenbach überschritten hatten, schlug Kristin nicht den Weg hinunter zur Herberge ein, die nahe dem Bischofshof lag, sondern wandte sich nach Osten dem Platz vor der Klemenskirche zu und ging in den engen Gassen zwischen Kirche und Fluß weiter.
Der Tag war grau bewölkt, und es war Tauwetter eingetreten, so daß ihr Schuhwerk und die Zipfel ihres Umhanges von dem gelben Lehm hier am Fluß rasch naß und schwer wurden. Sie kamen auf die Äcker am Flußufer hinaus. Einmal trafen sich ihre Blicke. Ulv lachte still, verzog den Mund zu einer Art Grinsen, aber seine Augen waren bekümmert: Kristin lächelte seltsam kränklich.
Gleich darauf standen sie am Rande des Abhangs; hier war einmal die Erde abgerutscht, und der Hof lag gerade unter ihnen, so dicht an den schmutziggelben Hang gelehnt, auf dem ein wenig schwarzes, struppiges Unkraut wucherte, daß der Gestank von dem Schweinepferch dort unten scharf zu ihnen heraufschlug - zwei fette Säue wühlten in dem dunklen Schmutz dort unten. Das Flußufer war hier ein schmaler Streifen, das graue und schlammige Wasser des Flusses, auf dem knirschende Eisschollen schwammen, reichte bis an die verfallenen Häuser mit den welken Wasendächern heran.
Während sie dort standen, kamen ein Mann und eine Frau heraus und sahen nach den Schweinen; der Mann lehnte sich über die Einzäunung und kratzte einem der Tiere den Rücken mit dem Schaftende einer silberbeschlagenen langen Axt, die er als Stock benützte. Es war Munan Baardssohn selbst, und die Frau war Brynhild. Er blickte auf und wurde Kristin gewahr -stand da und gaffte hinauf, da rief sie ihm einen munteren Gruß hinunter.
Herr Munan brach in ein lautes Gelächter aus.
„Kommt herunter und laßt euch in diesem Dreckwetter einen warmen Trunk Bier geben“, rief er.
Als sie zum Hofgatter hinabstiegen, erzählte Ulv, daß Brynhild Jonstochter jetzt weder eine Herberge noch eine Bierschenke mehr halte. Sie war ein paarmal in Schwierigkeiten geraten, und man hatte ihr zuletzt damit gedroht, sie auspeitschen zu lassen, Munan jedoch hatte sie befreit und Bürgschaft dafür übernommen, daß sie nun mit ihrem unerlaubten Handwerk völlig aufhören würde. Auch saßen ihre Söhne nun in solchen Stellungen, daß die Mutter schon um
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