Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
Vom Netzwerk:
Teil der Nacht geritten, er glaubte doch, mit den Wegen hierher gut vertraut zu sein - hatte sich aber dennoch ein paarmal verirrt...
    Stig bat ihn, bis zum nächsten Tag zu warten, dann wolle er selbst mit ihm reiten - jedenfalls ein Stück weit -, ja er könne gern auch bis Tunsberg mitkommen ...
    „Hier habe ich auf nichts mehr zu warten. Ich will nur noch in die Kirche - da ich nun einmal hier auf dem Hofe bin, will ich doch an Halfrids Grab ein Gebet verrichten.“
    Das Blut brauste und dröhnte in seinem erschöpften Körper, das Herz pochte ohrenbetäubend. Er hatte ein Gefühl, als müsse er zusammenbrechen, er war wie halb wach. Aber er hörte seine eigene Stimme, die ruhig und gleichmäßig sagte:
    „Wollt Ihr mich nicht begleiten, Herr Erling? Ich weiß, sie hatte von ihren Verwandten Euch am liebsten ...“
    Er sah den anderen nicht an, fühlte jedoch, wie jener er-starrte. Nach einer Weile hörte er durch das Sausen und Singen seines eigenen Blutes Herrn Erling Vidkunssohns klare und höfliche Stimme:
    „Das will ich gern, Simon Darre. - Es ist ein häßliches Wetter“, sagte er, schnallte sich das Schwert um und warf einen dicken Umhang um die Schultern. Simon stand still wie ein Stein, bis der andere fertig war. Dann gingen sie.
    Draußen rieselte der Herbstregen herab, und der Nebel trieb so dick vom Meer herein, daß sie nur einige Pferdelängen über die Äcker und in die gelben Laubhaine zu beiden Seiten des Pfades sehen konnten. Der Weg zur Kirche war nicht weit. Simon holte den Schlüssel im Priesterhof nebenan - er war froh, als er sah, daß dort andere Leute wohnten als zu seiner Zeit, so entging er einem langen Gespräch.
    Es war eine kleine Steinkirche mit nur einem Altar. Gedankenlos betrachtete Simon wiederum die gleichen Bilder und Verzierungen, die er so viele hundert Male gesehen hatte, während er, ein Stück von Erling Vidkunssohn entfernt, bei dem weißen Marmorstein kniete, Gebete sprach und sich bekreuzigte - ohne sich dessen bewußt zu sein.
    Er begriff selbst nicht, daß er es vermocht hatte. Aber jetzt war er mittendrin. Was er sagen wollte, ahnte er nicht - aber krank, wie er war, vor Entsetzen und Scham über sich selbst, wußte er, daß er dies dennoch versuchen würde.
    Er entsann sich des weißen, kränklichen Gesichtes der etwas ältlichen Frau im Halbdunkel des Bettes, ihrer lieblichen, sanften Stimme - dachte an jenen Nachmittag, da er bei ihr auf dem Bettrande saß und sie es ihm erzählte. Es war ein Monat, bevor das Kind kam, sie erwartete selbst, daß es um ihr Leben gehen würde - und sie war frohen Herzens bereit, ihren Sohn so teuer zu erkaufen. Dieses arme kleine Kind, das dort unter dem Stein in einem kleinen Sarg an der Schulter der Mutter lag. Nein, was er hatte tun wollen, konnte kein Mann tun .. .
    Aber Kristins weißes Gesicht. Sie hatte es gewußt, als er an jenem Tag von Akersnes heimkehrte. Bleich und ruhig sprach sie darüber und fragte ihn aus - aber er hatte ihre Augen nur ganz kurze Zeit gesehen und wagte ihnen seitdem nicht mehr zu begegnen. Wo sie jetzt war oder was sie getan hatte, wußte er nicht, ob sie in der Herberge saß oder bei ihrem Mann, oder ob man sie dazu gebracht hatte, nach Skogheim zu gehen; er hatte es in Olav Kyrnings und Sira Ingolfs Hände gelegt -er war mit seiner Kraft am Ende gewesen, und es hatte ihn gedünkt, er dürfe keine Zeit verlieren ...
    Simon wußte nicht, daß er das Gesicht in seinen Händen verbarg. Halfrid - es handelt sich ja weder um Sünde noch um Schande, meine Halfrid ... Trotzdem. Was sie zu ihm gesagt hatte, ihrem Gemahl - von ihrer Sorge und von ihrer Liebe, die die Ursache gewesen war, daß sie bei jenem alten Teufel ausgehalten hatte. Er hatte sein Kind unter dem Herzen der Mutter getötet - und sie blieb bei ihm, denn sie wollte nicht ihren liebsten Freund in Versuchung führen ...
    Ohne Ausdruck in dem farblosen, wohlgeformten Gesicht kniete Erling Vidkunssohn da. Die mit den Flächen zusammengelegten Hände hielt er gegen die Brust gedrückt, und von Zeit zu Zeit machte er mit einer stillen, weichen und schönen Bewegung das Kreuzeszeichen und legte dann die Fingerspitzen wieder gegeneinander.
    Nein. Dies war entsetzlich, kein Mann konnte es über sich bringen. Nicht einmal um Kristins willen konnte er dies tun. Sie erhoben sich gleichzeitig, grüßten den Altar und schritten durch die Kirche; Simons Sporen klirrten ein wenig bei jedem Schritt über den Steinboden. Seitdem sie den Hof verlassen

Weitere Kostenlose Bücher