Kristin Lavranstochter 1
während ich nach Hilfe für sie und alle ihre Kinder suche.“
Erling Vidkunssohn stand an den Torpfosten gelehnt. Sein Gesicht war ebenso ruhig wie immer und die Stimme höfisch und kühl, als er wiederum sprach:
„Ich habe sie gern gemocht, die Kristin Lavranstochter, obwohl ich sie nur wenig kenne - eine schöne und würdige Frau ist sie -, und ich habe es nun so oft gesagt, Simon Andressohn, ich glaube gewiß, Ihr werdet Hilfe finden, wenn Ihr meinem Rat folgen wollt. Aber ich verstehe nicht recht, was Ihr mit diesem - seltsamen Einfall wollt. Ihr könnt doch wohl nicht meinen, ich würde... Weil ich meinen Oheim meine Heirat bestimmen lassen mußte, unmündig, wie ich damals war, und das Mädchen, das ich am meisten liebte, verlobt war, als wir einander kennenlernten... So unschuldig, wie Ihr sagt, ist Erlends Gattin schließlich doch auch nicht. Ja, Ihr seid mit der Schwester verheiratet, das ist wahr, aber Ihr, nicht ich, seid die Ursache dafür, daß wir nun diese - merkwürdige Unterredung führen, und da müßt Ihr dulden, daß ich davon spreche. Ich erinnere mich, es gingen genug Gerüchte darüber, damals, als Erlend mit ihr verheiratet wurde - der Handel kam gegen
Lavrans Björgulvssohns Willen und Rat zustande, aber die Maid hatte mehr daran gedacht, ihren Willen durchzusetzen, als daran, ihrem Vater zu gehorchen und ihre Ehre zu wahren. Ja, sie kann trotzdem ein gutes Weib sein - aber sie bekam ja Erlend, so hat sie wohl ihre Zeit an Wonne und Lust gehabt. Ich glaube nicht, daß Lavrans jemals große Freude an dem Eidam hatte, er hatte bereits einen anderen Mann für die Tochter erwählt gehabt, als sie mit Erlend bekannt wurde - sie war verlobt, das weiß ich ..er brach jäh ab, sah Simon einen Augenblick an und wandte den Kopf zur Seite, ziemlich verlegen.
Brennend rot vor Scham, neigte Simon sein Gesicht auf die Brust herab, trotzdem aber sagte er leise und fest:
„Ja, sie war mir anverlobt.“
Einen Augenblick standen sie da und wagten einander nicht anzusehen. Dann warf Erling Vidkunssohn den letzten Moosball weg, wandte sich ab und ging in den Regen hinaus. Simon blieb zurück - als Erling aber ein Stück weit in den Nebel hinausgekommen war, blieb er stehen und winkte ungeduldig.
Dann kehrten sie heim, ebenso schweigsam, wie sie gekommen waren. Sie waren fast beim Hof angelangt, als Herr Erling sagte:
„Ich werde es tun, Simon Andressohn. Ihr müßt bis morgen warten, dann können wir zu viert reiten.“
Simon blickte zu ihm auf - sein Gesicht war von Scham und Schmerz ganz verzerrt. Er wollte danken, vermochte jedoch nicht, er mußte sich hart in die Lippe beißen, denn sein Unterkiefer schlotterte entsetzlich.
Als sie durch die Stubentür eintraten, berührte Erling Vidkunssohn wie zufällig Simons Schulter. Aber der eine wußte vom anderen, daß sie einander nicht anzusehen wagten.
Am nächsten Tag, sie waren im Begriff, sich zur Fahrt vorzubereiten, wollte Stig Haakonssohn Simon unbedingt Kleider leihen - Simon hatte nichts zum Wechseln mit. Er blickte an sich hinab - der Knecht hatte sein Gewand gebürstet und geputzt, aber es war und blieb von dem langen Ritt bei dem schlechten Wetter häßlich und mitgenommen. Doch er fuhr sich über die Schenkel hinunter.
„Ich bin zu dick, Stig. Auch reite ich nicht als ein Gast zum König...“
Erling Vidkunssohn hatte den einen Fuß auf die Bank gestützt, und sein Sohn schnallte ihm den vergoldeten Sporn an -es war, als suche Herr Erling heute seine Diener möglichst von sich fernzuhalten.
Der Ritter lachte seltsam zornig auf.
„Zum Schaden kann es gewiß nicht gereichen, wenn man Simon Darre ansieht, daß er sich im Dienst des Schwagers nicht geschont hat, sondern daß er mit seinen wackeren und guten Worten geradeswegs von der Landstraße kommt. Er ist wohlberedt, unser früherer Schwager, Stig. Eines allein befürchte ich - daß er selbst nicht wissen könnte, wann er aufhören muß..."
Simon stand da, dunkelrot im Gesicht, sagte jedoch nichts. In allem, was Erling Vidkunssohn seit gestern zu ihm geäußert hatte, verspürte er den spöttischen Groll und eine wunderlich widerspenstige Güte und einen festen Willen, diese Sache zu fördern - seitdem er sich ihrer nun einmal angenommen hatte.
So ritten sie von Mandvik weg nach Norden zu, Herr Erling, sein Sohn und Stig, alles in allem zehn gutgekleidete und wohlbewaffnete Leute. Simon mit seinem einzigen Mann dachte, er hätte vielleicht mit geziemenderem Gefolge und besser
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