Kristin Lavranstochter 1
so daß es hier nach Brauch und Sitte zugeht?“
Der Priester - Kristin sah nun, daß es der jüngste Sohn auf Uldsvolden war, der zu Weihnachten nach Hause gekommen war - öffnete das Buch und stellte sich an der Bahre auf. Aber Lavrans rief, jene, die über seine Tochter geredet hätten, und wer es nun auch sei, sollten ihre Worte wieder hinunterschlucken müssen, und Inga schrie:
„Ja, nimm mein Leben, du, Lavrans, der mir all meinen Trost und meine Freude genommen hat - und richte ihre Hochzeit mit diesem Ritterssohn aus, aber die Leute wissen doch, daß sie auf der Landstraße Benteins Weib wurde. Hier“, sie warf Kristin das Laken, das Lavrans ihr gegeben hatte, quer über die Bahre zu, „ich brauche Ragnfrids Leinwand nicht, um Arne in die Erde zu betten. Mach dir eine Frauenhaube daraus oder hebe es auf, um deinen Strauchbalg dareinzuhüllen - und gehe hinunter und hilf Gunhild über den gehenkten Burschen trauern.“ Lavrans, Gyrd und der Priester faßten Inga. Simon versuchte Kristin, die über der Bahre lag, aufzuheben. Da schob sie seinen Arm heftig zurück, richtete sich auf die Knie auf und rief laut: „Gott, mein Erlöser, hilf mir, dieses ist unwahr!“
Sie streckte die Hand aus und hielt sie über das ihr zunächststehende Licht an der Totenbahre.
Es sah so aus, als ducke sich die Flamme und weiche zur Seite. Kristin fühlte aller Augen auf sich gerichtet - es dünkte sie, dies währe eine lange Zeit. Da verspürte sie plötzlich einen brennenden Schmerz in der Handfläche, und mit einem gellenden Schrei fiel sie rücklings zu Boden.
Sie glaubte selbst, daß sie ohnmächtig sei - aber sie fühlte, daß Simon und der Priester sie aufhoben. Inga schrie etwas, sie sah ihres Vaters entsetztes Gesicht und hörte den Priester rufen, es dürfe niemand diese Probe anrechnen, so könne man Gott nicht zum Zeugnis reizen - da trug Simon sie hinaus und die Treppe hinunter. Simons Knecht lief in den Stall, und gleich darauf saß Kristin, immer noch halb besinnungslos, vor Simon im Sattel, eingehüllt in seinen Umhang, während er, so schnell das Pferd vermochte, ins Tal hinunterritt.
Sie waren fast in Jörundhof angelangt, als Lavrans sie einholte. Der Rest ihres Gefolges kam ihnen weit hinten donnernd nach.
„Sag nichts zu deiner Mutter“, sagte Simon, als er sie an der Haustüre absetzte. „Wir haben heute abend schon zuviel verrücktes Gerede gehört; es ist kein Wunder, daß du zum Schluß den Verstand verloren hast.“
Ragnfrid lag wach, als sie hereinkamen, und fragte, wie es bei der Leichenwache gewesen sei. Simon ergriff das Wort und antwortete für sie alle. Ja, es seien viele Kerzen und viele Leute dagewesen. - Ja, es sei ein Priester dagewesen - Tormod von Uldsvolden. Über Sira Eirik habe er gehört, daß er bereits am Abend nach Hamar geritten sei, auf diese Weise komme man über die Schwierigkeit mit dem Leichenbegängnis hinweg.
„Wir müssen eine Messe für den Jungen lesen lassen“, sagte Ragnfrid. „Gott stärke Inga, sie wird hart geprüft, die gute, tüchtige Frau.“
Lavrans fiel in den Ton ein, den Simon angestimmt hatte, und bald darauf sagte Simon, nun sollten sie alle schlafen gehen, denn Kristin sei müde und traurig.
Nach einer Weile, als Ragnfrid eingeschlafen war, warf sich Lavrans ein Kleidungsstück um, ging hinüber und setzte sich auf das Bett seiner Töchter. Er suchte Kristins Hand im Dunkeln und sagte sehr milde:
„Nun mußt du mir sagen, Kind, was wahr ist und was Lüge ist an dem Gerede von Inga.“
Schluchzend berichtete Kristin alles, was an jenem Abend geschehen war, als Arne nach Hamar ritt. Lavrans sagte nicht viel. Da kroch Kristin näher an ihn heran, schlang ihre Arme um seinen Hals und jammerte leise:
„Ich bin trotzdem schuld an Arnes Tod - es ist doch wahr, was Inga sagte ..
„Arne selbst bat dich, ihn zu treffen“, sagte Lavrans und zog das Webstück um die nackten Schultern der Tochter. „Unbedacht war es wohl von mir, daß ich euch so viel beieinander sein ließ, aber ich glaubte, der Junge wäre verständiger. Ich will euch nicht anklagen - ich verstehe, daß diese Dinge für dich schwer zu tragen sind. Obwohl ich nie gedacht hätte, daß eine meiner Töchter in schlechten Ruf hier im Tale kommen würde -und schlimm wird es für deine Mutter sein, wenn sie davon erfährt. Daß du aber damit zu Gunhild gingst und nicht zu mir, das war so unklug, daß ich nicht begreifen kann, wie du dich so dumm anstellen konntest.“
„Ich vermag
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