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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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nicht mehr hier im Tal zu bleiben“, sagte Kristin weinend, „ich wage keinem Menschen mehr in die Augen zu sehen - und dann all das, was ich nun denen auf Romundhof und auf Finsbrekken angetan habe ..
    „Ja, sie müssen nun dafür sorgen, Gyrd und auch Sira Eirik“, sagte Lavrans, „daß diese Lügen über dich mit Arne begraben werden. Im übrigen ist es Simon Andressohn, der dich in dieser
    Sache am besten verteidigen kann“, sagte er und streichelte sie im Dunkeln. „Findest du nicht, daß er diese Sache schön und verständig aufgenommen hat?“
    „Vater“, Kristin drängte sich an ihn und bat angstvoll und innig, „schick mich ins Kloster, Vater. Doch, hör auf mich -ich habe seit langem daran gedacht, vielleicht wird Ulvhild gesund, wenn ich statt ihrer gehe. Erinnerst du dich der Schuhe, die ich heuer im Herbst für sie nähte, mit den Perlen drauf; ich stach mir die Finger so wund, sie bluteten von dem scharfen Goldfaden - ich saß da und nähte sie, denn ich dachte, es sei so schlecht von mir, daß ich meine Schwester nicht genug liebe, um Nonne zu werden und ihr dadurch zu helfen - Arne fragte mich einmal wegen des Klosters. Hätte ich damals ja gesagt, wäre dies alles nicht geschehen.“
    Lavrans schüttelte den Kopf.
    „Leg dich jetzt hin“, gebot er. „Du weißt selbst nicht, was du sagst, armes Kind, du. Nun mußt du zu schlafen versuchen.“
    Aber Kristin lag wach und fühlte den Schmerz in ihrer verbrannten Hand, und Verzweiflung und Erbitterung über ihr Schicksal stürmten in ihrem Herzen. Wenn sie das sündigste Weib gewesen wäre, hätte es ihr nicht schlechter ergehen können; alle wohl würden sie es glauben, nein, sie konnte nicht, vermochte nicht hier im Tal zu bleiben. Entsetzen auf Entsetzen durchflackerte sie. Wenn die Mutter es erfuhr - und nun war Blut zwischen ihnen und dem Priester ihres Kirchspiels, Feindschaft zwischen allen, die ringsum ihre Freunde gewesen waren, solange sie lebte. Die ärgste, quälendste Angst aber überfiel sie, wenn sie an Simon dachte und daran, wie er sie genommen und weggeführt hatte und wie er daheim für sie eingetreten war und über sie verfügt hatte, als wäre sie sein Eigentum - Vater und Mutter hatten ihn gewähren lassen, als gehöre sie ihm bereits mehr als ihnen.
    Dann erinnerte sie sich an Arnes Gesicht, kalt und schrecklich war es gewesen. Sie dachte daran, daß sie letzthin, als sie die Kirche verließ, ein offenes Grab gesehen hatte, das auf einen Toten wartete. Die aufgehackten Erdschollen lagen auf dem Schnee, hart und kalt und grau wie Eisen - dorthin hatte sie Arne gebracht.
    Plötzlich dachte sie an einen Sommerabend vor vielen Jahren. Sie hatte auf dem oberen Altan auf Finsbrekken gestanden, vor demselben Raum, in dem sie an diesem Abend vom Schick-sal zu Boden geschlagen worden war. Arne hatte mit ein paar Knaben unten auf dem Hofplatz Ball gespielt, und der Ball war zu ihr auf den Altan hinaufgeflogen. Sie hatte ihn hinter ihrem Rücken gehalten und ihn nicht hergeben wollen, als Arne kam, um ihn zu holen; da wollte er ihn mit Gewalt nehmen -sie rangen miteinander, auf dem Altan und drinnen im Speicherraum zwischen den Truhen, die herabhängenden Fellsäcke mit den Kleidern schlugen ihnen an die Köpfe, wenn sie bei der Jagd daranstießen. Sie hatten gelacht und mit diesem Ball herumgetollt.
    Und es war, als stünde es erst jetzt klar vor ihr, daß er tot war und sie nie wieder sein schönes kräftiges Gesicht sehen und seine warmen Hände fühlen sollte. Und kindisch und herzlos hatte sie nie daran gedacht, wie es für ihn sein müsse, sie zu verlieren. Sie weinte verzweifelt und fand, sie habe ihr Unglück verdient. Dann aber mußte sie wieder an alles das denken, was noch ihrer wartete, und da weinte sic, weil es ihr doch eine zu harte Strafe schien, was alles noch über sie kommen sollte.
    Simon war es, der Ragnfrid erzählte, was am Abend zuvor bei der Leichenwache auf Brekken geschehen war. Er machte nicht mehr aus der Sache, als nötig war. Aber Kristin war so verwirrt von Trauer und der durchwachten Nacht, daß sie eine ganz sinnlose Verbitterung gegen ihn empfand, weil er darüber sprechen konnte, als sei es gar nichts so Entsetzliches. Außerdem erregte es ihren heftigen Unwillen, daß die Eltern Simon sich gebaren ließen, als wäre er der Herr im Hause.
    „Du glaubst nichts davon, Simon?“ fragte Ragnfrid ängstlich.
    „Nein“, erwiderte Simon. „Und ich denke auch nicht, daß sonst irgend jemand es

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