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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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weißes Haar und der weiße Bart waren so wohlgebürstet, daß sie wie Silber in der Sonne glänzten.
    Der obere Teil der Stadt, vom Nonnenbach bis hinunter zum Bischofshof, bildete eine stille Gegend; hier gab es weder Buden noch Herbergen, die Höfe gehörten meistens großen Geschlechtern aus den ringsum liegenden Gemeinden, und die Häuser wandten der Straße dunkle und fensterlose Balkengiebel zu. An diesem Tag aber strömten auch hier oben schon Scharen von Menschen durch die Straße, und die Dienstleute standen umher, lehnten an den Hofzäunen und schwätzten mit den Vorübergehenden.
    Als sie beim Bischofshof herauskamen, herrschte ein wahres Gedränge auf dem Platz vor der Halvardskirche und dem Olavskloster; Buden waren am Grashang aufgeschlagen, und es gab Gaukler, die gelehrige Hunde durch Faßreifen springen ließen. Aber Haakon wollte nicht, daß die Mädchen stehenblieben und zusahen und daß Kristin in die Kirche ging - er sagte, es sei schöner, die Kirche beim großen Fest selber anzuschauen.
    Auf dem offenen Platz bei der Klemenskirche faßte Haakon die Mädchen an der Hand, denn hier war ein großer Verkehr von all den Menschen, die von den Hafenplätzen oder von den Gassen draußen zwischen den Handelshöfen kamen. Die Mädchen wollten nach dem Miklehof, wo die Schuhmacher saßen. Denn Ingebjörg hatte zwar die Kleider, die Kristin von daheim mitbekommen hatte, sehr gut und schön befunden, aber gesagt, das Schuhwerk, das sie aus dem Tal mitgebracht habe, könne sie nicht zum Staat gebrauchen. Und als Kristin die ausländischen Schuhe gesehen hatte, deren Ingebjörg mehrere Paare besaß, dünkte es sie, daß sie sich nicht eher zufriedengeben könne, als bis sie sich ebenfalls solche gekauft habe.
    Der Miklehof war einer der größten Höfe in Oslo, er reichte vom Hafen bis hinauf zur Sutaregasse und umfaßte mit mehr als vierzig Häusern zwei große Hofplätze. Und nun waren dort noch überall Buden mit Friesdächern aufgestellt; über die Zeltdächer hinaus ragte eine Säule des Sankt Crispinus. Ein großer Verkehr von Käufern herrschte dort, Frauen liefen mit Schüsseln und Töpfen zwischen den Küchenhäusern hin und her, Kinder gerieten den Leuten zwischen die Beine, Pferde wurden aus den Ställen heraus- und andere hineingeführt, und bei den Warenschuppen trugen Knechte die Lasten aus und ein. Oben auf den Altanen rings um die Oberstockwerke, wo die feinsten Waren Verkauft wurden, schrien die Schuhmacher und ihre Ladengehilfen zu den Mädchen hinunter und schwenkten kleine bunte und goldgestickte Schuhe vor deren Augen. Aber Ingebjörg strebte zu dem Haus, wo sie Didrek sutare wußte; er war Deutscher, hatte jedoch eine Norwegerin zur Frau und besaß ein Haus im Miklehof.
    Der Alte stand da und handelte mit einem Herrn, der einen Reiseumhang trug und ein Schwert am Gürtel hängen hatte, aber Ingebjörg trat dreist vor, verbeugte sich und sagte:
    „Guter Herr, wollet uns vergönnen, zuerst mit Didrek zu sprechen, wir müssen noch vor dem Abendgebet wieder in unserem Kloster sein; Ihr habt vielleicht bessere Weile?“
    Der Herr grüßte und trat zur Seite. Didrek stieß Ingebjörg mit dem Ellbogen an und fragte lachend, ob sie im Kloster so viel tanzten, daß sie schon all die Schuhe, die sie im vorigen Jahre bekommen hätte, durchgetreten habe. Ingebjörg puffte ihn wieder und sagte, die seien freilich leider noch heil, Gott bessere es, aber diese Jungfrau hier - und sie zog Kristin heran. Didrek und sein Gehilfe trugen eine Kiste auf den Altan heraus, und nun breitete er die Schuhe vor ihnen aus, ein Paar schöner als das andere. Kristin mußte sich auf einen Schrein setzen, und er zog ihr verschiedene zur Probe an; da waren weiße Schuhe und braune und rote und grüne und blaue, Schuhe mit bemalten Absätzen aus Holz und Schuhe ohne Absätze, Schuhe mit Spangen und Schuhe mit Seidenbändern daran, Schuhe aus zwei- und aus dreifarbigem Leder. Kristin dünkte es fast, sie habe Lust auf sie alle. Aber sie waren so teuer, daß sie sich ganz entsetzte - kein einziges Paar kostete weniger als eine Kuh daheim. Der Vater hatte ihr, als er abreiste, einen Beutel mit einem halben Schalpfund Silber in abgezähltem Geld gegeben - das sollte sie als Spillgeld haben, und Kristin war dies als ein großer Reichtum erschienen. Aber sie merkte Ingebjörg an, daß diese meinte, sie könne nichts Großartiges davon kaufen.
    Ingebjörg mußte des Spaßes halber ebenfalls Schuhe anproben, das koste kein

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