Kristin Lavranstochter 1
aber sagte der eine mit einem häßlichen Grinsen, daß der Weg zur Brücke hinunter sehr öde sei; es sei nicht ratsam für sie, allein zu gehen.
„Solche Schurken oder so Dumme gibt es wohl nicht, daß sie zwei Mädchen anhalten wollten, die die Klostertracht tragen“, gab Kristin zur Antwort. „Wir wollen jetzt lieber allein gehen“, und sie reichte ihnen das Geld hin.
Der Mann ergriff sie beim Handgelenk, brachte sein Gesicht dem ihren ganz nahe und sagte etwas von „Kuß“ und „Beutel“. Kristin begriff, daß er sagte, sie dürften in Frieden weitergehen, wenn sie ihnen einen Kuß und ihren Geldbeutel gäbe.
Es erfaßte sie die Erinnerung daran, wie Benteins Gesicht so nahe dem ihren gewesen war, die Angst übermannte sie für einen Augenblick, und sie fühlte sich elend und krank. Aber sie preßte die Lippen zusammen, rief in ihrem Herzen Gott und die Jungfrau Maria an - und im selben Augenblick glaubte sie Hufschlag zu hören auf dem Weg, der vom Norden herkam.
Da schlug sie dem Mann mit dem Geldbeutel ins Gesicht, so daß er wankte, gab ihm einen Stoß vor die Brust, daß er über den Weg und ein gutes Stück den Hang hinuntertaumelte. Nun packte der andere sie von hinten an, riß ihr den Beutel aus der Hand und zerrte an ihrer Halskette, bis sie zersprang - Kristin war nahe daran, zu fallen, aber sie hielt sich an dem Mann fest und veitsuchte, ihm ihr Kreuz wieder zu entwinden. Er wollte sich losreißen - auch die Strauchdiebe hatten nun gehört, daß Leute kamen, Ingebjörg schrie laut, und die Reiter auf dem Pfad sprengten aus allen Kräften herzu. Sie kamen aus dem Gebüsch heraus; es waren drei Männer. Ingebjörg lief ihnen schreiend entgegen, und sie sprangen von den Pferden. Kristin erkannte den Herrn von Didreks Speicher wieder; er zog sein Schwert, packte den einen der Kerle beim Kragen und verprügelte ihn mit der flachen Klinge. Seine Leute rannten dem anderen nach, ergriffen ihn und schlugen nach Herzenslust auf ihn ein.
Kristin lehnte sich an die Felswand; jetzt, hinterher, zitterte sie, am stärksten aber empfand sie ein Erstaunen darüber, daß ihr Gebet so rasch geholfen hatte. Da erblickte sie Ingebjörg; sie hatte die Kappe zurückgeschlagen, den Umhang lose über die Schultern gelegt und war im Begriff, ihre schweren hellen Zöpfe auf die Brust vorzuziehen.
Bei diesem Anblick brach Kristin in Lachen aus - sie sank zusammen und mußte sich an einem Baum festhalten, denn sie konnte nicht aufhören, es war, als hätte sie Wasser statt Mark in den Knochen, so schlaff fühlte sie sich; sie zitterte und lachte und weinte.
Der Herr trat hinzu und legte behutsam eine Hand auf ihre Schulter.
„Ihr habt wohl mehr Angst gehabt, als Ihr zeigen wolltet,
8 Kristin I
Ihr“, sagte er, und seine Stimme war gut und schön. „Aber nun müßt Ihr Euch beherrschen - Ihr hieltet Euch so mutig während der Gefahr.“
Kristin konnte ihm nur zunicken. Er hatte schöne helle Augen in einem schmalen braunblassen Gesicht und tiefschwarzes Haar, das über der Stirne und hinter den Ohren ziemlich kurz geschnitten war.
Ingebjörg hatte nun ihr Haar geordnet; sie kam herbei und dankte dem Fremden mit vielen schönen Worten. Er stand da, die Hand auf Kristins Schulter, während er dem anderen Mädchen antwortete.
„Diese Galgenvögel“, sagte er zu seinen Männern, die die beiden Burschen festhielten - sie gehörten zu einem Schiff aus Rostock, berichteten sie -, „werden wir mit uns in die Stadt nehmen, damit sie im Kerker verwahrt werden. Nun wollen wir diese Jungfrauen zum Kloster heimbegleiten. Ihr findet wohl einige Riemen, um sie zu binden.“
„Meint Ihr die Jungfrauen, Erlend?“ fragte der eine seiner Leute. Es waren zwei junge starke und gutgekleidete Burschen, und sie waren aufgeräumt nach dem Kampf.
Ihr Herr runzelte die Stirne und wollte scharf antworten. Aber Kristin legte die Hand auf seinen Ärmel. „Laßt sie laufen, lieber Herr!“ Sie schauderte ein wenig zusammen. „Ungern wollen wohl meine Schwester und ich, daß über diese Sache geredet werde.“
Der Fremde blickte zu ihr nieder, grub die Zähne in die Unterlippe und nickte, als verstünde er sie. Dann gab er jedem der beiden Gefangenen mit dem Schwertblatt einen Nackenstreich, so daß sie nach vorne taumelten. „Lauft zu“, sagte er und versetzte ihnen einen Fußtritt, und sie sprangen davon, was sie nur konnten. Der Herr wandte sich wieder zu den Mädchen und fragte, ob sie reiten wollten.
Ingebjörg ließ
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