Kristin Lavranstochter 1
salernitanische Kräuterbücher in die norwegische Sprache umgeschrieben. - Frau Groa war besonders freundlich zu Kristin gewesen, seit sie gemerkt hatte, daß sie von der Kräuterkunst etwas wußte und gerne mehr darüber erfahren wollte.
So erklärte Kristin Erlend, was in den Beeten zu beiden Seiten des grünen Weges, auf dem sie gingen, wuchs. In der Mittagssonne duftete es heiß und gewürzig nach Dill und Sellerie, Zwiebeln und Rosen, Ampfer und Goldlack. Die Obstbaumreihen am Rande des schattenlosen, sonnenheißen Wurzgartens sahen verlockend kühl aus - dort glänzten rote Kirschen in dunklen Laubkronen, und die Apfelbäume neigten ihre Zweige, von grünen Früchten beschwert.
Rings um den Obstgarten war eine Hecke. Dort blühten noch einige Rosen - sie sahen nicht anders aus denn andere Heckenrosen, aber das Laub duftete in der Sonnenhitze wie Wein und Äpfel. Die Leute brachen sich im Vorübergehen Zweige ab und steckten sie sich an. Auch Kristin pflückte einige Rosen und schob sie bei den Schläfen unter dem Stirnreif ins Haar. Eine behielt sie in der Hand - bald darauf nahm Erlend die Blume an sich, sagte aber nichts.
Er trug sie eine Weile in der Hand, dann steckte er sie in seine Brustspange - dabei blickte er befangen und verlegen drein und stellte sich so ungeschickt an, daß er sich die Finger blutig riß.
Im Festsaal im oberen Stockwerk des Gildenhauses waren mehrere breite Tische gedeckt; an den Längswänden je einer für die Männer und einer für die Frauen. Mitten im Raume standen zwei Tische, an denen Kinder und junge Leute durcheinandersaßen.
Am Frauentisch hatte Frau Groa im Hochsitz Platz genommen, die Nonnen und die angesehensten Ehefrauen saßen an der Wand und die unverheirateten Frauen auf der äußeren Bank, die Zöglinge von Nonneseter zuoberst. Kristin wußte, daß Erlend zu ihr hinsah, aber sie wagte nicht ein einziges Mal den Kopf zu drehen, weder als sie standen, noch als sie sich niedersetzten. Erst als sie sich erhoben und der Priester die Namen der verstorbenen Brüder und Schwestern der Gilde verlas, lugte sie einmal hastig zum Tisch der Männer hinüber -sie erhaschte einen Schimmer von ihm, wie er dort an der Wand stand hinter den brennenden Wachslichtern auf dem Tisch. Er sah sie an.
Die Mahlzeit dauerte lange mit allen den Bechern, die zu Ehren Gottes, der Jungfrau Maria, Sankta Margaretas, Sankt Olavs und Sankt Halvards geleert wurden, und den Gebeten und den Liedern dazwischen.
Kristin sah durch die offene Türe, daß die Sonne untergegangen war; draußen auf dem Rasenplan ertönte Geigenlaut und Gesang, und die jungen Leute hatten bereits die Tische verlassen, als Frau Groa zu den Zöglingen sagte, sie könnten nun hinuntergehen und eine Weile spielen, wenn es sie gelüste.
Es brannten drei rote Feuer auf dem Platz; schwarz und bunt schritten die Ketten der Tänzer um sie herum. Die Spielleute saßen auf aufgestapelten Truhen und strichen ihre Geigen -sie spielten und sangen verschiedene Weisen, jeder in seinem Ring; der Leute waren allzu viele, als daß man in einem einzigen Kreis hätte tanzen können. Es war schon ziemlich dunkel
- im Norden standen die waldigen Höhenzüge mit scharfem Rand kohlschwarz gegen den gelbgrünen Himmel.
Unter dem Altan des oberen Stockwerkes saßen Leute und tranken. Ein paar Männer sprangen vor, sobald die sechs Mädchen von Nonneseter die Treppe herunterkamen. Munan Baardssohn flog auf Ingebjörg zu und lief mit ihr davon, und Kristin wurde beim Handgelenk gepackt - von Erlend, sie kannte bereits seine Hand. Er drückte die ihre so, daß ihre Ringe aneinanderwetzten und ins Fleisch einschnitten.
Er zog sie mit sich zum äußersten Feuer. Dort tanzten viele Kinder mit; Kristin bekam mit ihrer freien Hand einen zwölfjährigen Knaben zu fassen, und Erlend führte ein kleines schmächtiges halberwachsenes Mädchen an seiner anderen Seite.
In diesem Ring sang gerade niemand - sie schritten im Kreis und wiegten sich nach den Geigentönen vor und zurück. Dann rief jemand, der Dänen-Sivord solle ihnen einen neuen Tanz singen. Ein langer blonder Mann mit ungeheuer großen Fäusten trat in den Kreis und trug seine Weise vor:
„Es geht ein Tanz auf Munkholm, auf weißem Sand.
Da tanzet Ivar Herr Jonssohn an der Königin Hand.
Kennet Ihr Ivar Herrn Jonssohn?“
Die Spielleute kannten die Weise nicht, sie zupften ein wenig an den Saiten, und der Däne sang allein - er hatte eine schöne starke Stimme.
„Wißt Ihr noch,
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