Kristin Lavranstochter 1
erwachten Augen hinein.
„Kann sein, es kommt einmal die Nacht, da wir, du und ich, zusammen einzuschlafen wagen - ich weiß nicht, was du meinen wirst, wenn du darüber nachgedacht hast. Ich habe heute nacht hier gewacht - noch steht so viel zwischen uns, daß es mehr ist, als hätte hier ein nacktes Schwert zwischen dir und mir gelegen. - Sag mir, ob du mich liebhaben willst wenn diese Nacht vorüber ist?“
„Ich will Euch liebhaben, Herr Erlend“, sagte Kristin, „ich will Euch liebhaben, solange Ihr es wollt - und fürder will ich keinen anderen mehr lieben.“
„Dann“, sagte Erlend langsam, „dann möge Gott mich verlassen, wenn ich je wieder eine Frau oder ein Mädchen in meinen Armen halte, ehe ich dich in Gesetz und Ehren besitzen darf. - Sag du das auch“, bat er. Kristin sagte:
„Möge Gott mich verlassen, wenn ich je einen anderen Mann in meine Arme schließe, solange ich auf Erden lebe.“
„Wir müssen gehen“, sagte Erlend kurz darauf, „ehe die Leute wach werden.“
Sie gingen an der Außenseite des Steinwalls im Gebüsch. „Hast du darüber nachgedacht“, fragte Erlend, „wie dies weitergehen soll?“
„Das müßt Ihr bestimmen, Erlend“, antwortete Kristin.
„Dein Vater...“, fragte er nach einer Weile. „Sie sagen draußen in Gerdarud, er sei ein milder und rechtschaffener Mann. Glaubst du, er würde sehr ungern willens sein, die Abmachung mit Andres Darre zurückzunehmen?“
„Mein Vater hat so oft gesagt, er wolle uns, seine Töchter, niemals zwingen“, meinte Kristin. „Es ist wohl vor allem deshalb, weil die Besitztümer so günstig beieinanderliegen. Aber mein Vater will gewiß nicht, daß ich alle Freude der Welt um dieser Sache willen verliere.“ Es regte sich in ihr eine Ahnung, daß es vielleicht nicht so leicht gehen würde - aber sie drängte sie zurück.
„Da kann es sein, daß es leichter geht, als ich heute nacht glaubte“, sagte Erlend. „Gott steh mir bei, Kristin - mich dünkt, ich könnte dich nicht verlieren; nun kann ich nie wieder froh werden, wenn ich dich nicht gewinne.“
Sie trennten sich unter den Bäumen, und Kristin fand im Morgendämmern den Weg zu dem Gästehaus, wo die von Nonneseter schlafen sollten. Alle Betten waren voll, aber sie warf einen Umhang über einen Haufen Stroh am Boden und legte sich in den Kleidern hin.
Als sie erwachte, war der Tag weit vorgeschritten. Ingebjörg Filippustochter saß auf einer Bank in ihrer Nähe und nähte eine Pelzkante fest, die an ihrem Umhang abgerissen war. Sie war redselig wie immer.
„Warst du die ganze Nacht mit Erlend Nikulaussohn zusammen, du?“ fragte sie. „Du solltest dich nun ein wenig in acht nehmen vor dem Burschen, Kristin - glaubst du, Simon Andressohn würde es gerne sehen, daß du dem deine Freundschaft schenkst?“
Kristin suchte eine Schüssel und begann sich zu waschen.
„Und dein Bräutigam - glaubst du, er würde es gerne sehen, daß du heute nacht mit Munan Stumpe getanzt hast? Man wird wohl mit dem tanzen dürfen, der einen an solch einem Abend auserwählt hat, Frau Groa hatte uns ja erlaubt...“
Ingebjörg sagte geringschätzig:
„Einar Einarssohn und Herr Munan sind ja Freunde - er ist doch verheiratet und alt. Häßlich ist er auch - aber angenehm und höfisch; sieh, was er mir zur Erinnerung an diese Nacht gegeben hat“, sagte sie und wies eine Goldspange vor, die Kristin am Tag zuvor an Herrn Munans Hut gesehen hatte. „Aber dieser Erlend - ja, er wurde zwar zu Ostern des vorigen Jahres vom Bann befreit, allein, sie sagen, Eline Ormstochter sei seitdem bei ihm auf Husaby gewesen. Herr Munan sagt, er sei zu Sira Jon in Gerdarud geflüchtet, denn er wird wohl fürchten, in die Sünde zurückzufallen, wenn er sie wiedersieht.“
Kristin trat auf die andere zu - weiß im Gesicht.
„Wußtest du das nicht“, sagte Ingebjörg, „daß er irgendwo im Norden, in Haalogaland, eine Frau von ihrem Manne weggelockt hat - und er hielt sie auf seinem Hofe, trotz des Königs Gebot und des Erzbischofs Bann; auch haben sie zwei Kinder zusammen, er mußte nach Schweden fliehen, und er hat so viel zur Buße geben müssen, daß Herr Munan sagt, er werde schließlich noch ein armer Mann, wenn er sich nicht bald bessere.“
„Ja, du kannst dir denken, daß ich das weiß“, sagte Kristin mit starrem Gesicht. „Aber diese Sache ist ja jetzt zu Ende ..
„Ja, das war es, was Herr Munan sagte, daß es früher schon so oft zwischen ihnen zu Ende war“, meinte
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