Kristin Lavranstochter 1
die Schönheit ihrer Mutter konnten ihre Kinder ihr nicht nehmen, als sie alles andere nahmen“, sagte Erlend.
„Ich habe den Namen ihres ersten Mannes nicht gekannt“, meinte Kristin.
„Es waren zwei Brüder, die zwei Schwestern bekamen", sagte Erlend. „Baard und Nikulaus Munanssöhne. Mein Vater war der ältere, meine Mutter war seine zweite Frau, aber mit der ersten Frau hatte er keine Kinder. Baard, der Aashild bekam, war auch nicht jung, und sie lebten wohl nie gut zusammen - ja, ich war ein kleines Kind, als sich dies ereignete, sie vertuschten vor mir, soviel sie konnten. Aber sie verließ das Land mit Herrn Björn und verheiratete sich mit ihm ohne den Rat ihrer Verwandten, als Baard tot war. Nun wollten die Leute diese Ehe umstoßen, sie wollten es wahrhaben, daß Björn ihr Bett nicht gemieden habe, als der erste Mann noch lebte, und daß sie zusammen darüber beraten hätten, wie sie meinen Oheim aus dem Wege räumen könnten. Das konnte man ihnen aber wohl noch nicht nachweisen, da man ihre Ehegemeinschaft nicht zu trennen vermocht hat. Aber sie mußten mit all ihrem Hab und Gut büßen; Björn hatte auch ihren Vetter erschlagen -einen Vetter meiner Mutter und Aashilds, meine ich.“
Kristin hatte Herzklopfen bekommen. Daheim hatten die Eltern streng über die Kinder gewacht, und die jungen Leute
durften kein unreines Gerede hören, aber es war doch mancherlei im Tal geschehen, und Kristin hatte davon gehört - so von einem Mann, der mit einer verheirateten Frau in wilder Ehe lebte. Das war Hurerei, eine der schlimmsten Sünden; sie sollten auch eines Anschlags auf das Leben des Ehemannes schuldig sein, und darauf stand Acht und Kirchenbann. Lavrans hatte gesagt, keine Frau brauche bei ihrem Mann zu bleiben, wenn er es mit dem Eheweib eines anderen zu tun gehabt habe; solchen Hurenkindern konnte niemals Ankindung 1 zuteil werden, auch nicht, wenn die Eltern später frei wurden und einander heiraten durften. Ein Mann könne sein Erbe und seinen Namen einem Kinde mit einer Tordirne oder mit einem herumstreunenden Bettelweib verleihen, nicht aber seinem Hurenkind - selbst dann nicht, wenn die Mutter eines Ritters Gemahl wäre. Sie dachte an den Widerwillen, den sie stets gegen Herrn Björn mit seinem bleichen Gesicht und dem fetten, zusammengefallenen Körper empfunden hatte. Sie vermochte nicht zu fassen, daß Frau Aashild immer so freundlich und fügsam zu diesem Mann sein konnte, der sie in solche Schande gelockt hatte; daß eine so anmutsvolle Frau sich von ihm hatte betören lassen. Er war nicht einmal freundlich zu ihr; er ließ sie sich mit aller Arbeit auf dem Hof plagen. Björn tat nichts als Bier trinken. Und dennoch war Aashild stets mild und sanft, wenn sie mit ihrem Manne sprach. Es schien Kristin fraglich, ob der Vater eigentlich alles wußte, da er Herrn Björn zu sich eingeladen hatte. Nun, da sie daran dachte, dünkte es sie übrigens merkwürdig, daß Erlend so etwas von seinem nahen Verwandten erzählen mochte. Aber er glaubte wohl, sie wisse es von früher her.
„Es könnte mich gelüsten“, sagte Erlend nach einer Weile, „meine Muhme Aashild einmal aufzusuchen - wenn ich nach Norden ziehe. Ist er noch schön, Björn, mein Verwandter?“
„Nein“, sagte Kristin, „er sieht aus wie Heu, das den Winter über draußen gelegen hat.“
„Jaja, es zehrt wohl an einem Mann“, meinte Erlend mit dem gleichen bitteren Lächeln. „Nie habe ich einen so schönen Mann gesehen - es sind nun zwanzig Jahre her, ich war damals noch ein kleiner Junge seinesgleichen habe ich nie gesehen.“
Kurz darauf waren sie beim Hospiz angelangt. Es war ein sehr großes und mächtiges Gehöft mit vielen Häusern aus Stein und aus Holz: Krankenhaus, Armenhaus, Fremdenherberge für Reisende, Kapelle und Pfarrhaus. Auf dem Hofplatz herrschte ungeheure Geschäftigkeit, denn im Küchenhaus des Hospizes wurde das Essen für das Festgelage bereitet, und auch die Armen und Kranken sollten an diesem Tage aufs beste bewirtet werden.
Das Gildenhaus lag jenseits der Gärten des Hospizes, und die Leute nahmen den Weg dorthin durch den Wurzgarten, denn der war weitum berühmt. Frau Groa hatte dort Pflanzen gezogen, die in Norwegen noch niemand je erblickt hatte, abgesehen davon, daß alle die Gewächse, die auch sonst in den Gärten zu wachsen pflegten, in ihrem Wurzgarten am besten gediehen, sowohl Blumen als Gemüse und Arzneipflanzen. Sie war die gelehrteste Frau in allen solchen Dingen und hatte selbst
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