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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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war sie nun getrennt -und das Band zwischen ihnen war so dünn. Sie dachte nicht, daß er sie verlassen würde - aber es gab so vieles, was geschehen konnte. Sie wußte nicht, wie sie die Unsicherheit dieser Wartezeit ertragen und sich von Tag zu Tag weiterquälen sollte.
    Bisweilen dachte sie an die Eltern und die Schwestern -sehnte sich nach ihnen, aber so, als hätte sie diese für immer verloren.
    Und bisweilen, in der Kirche und auch sonst, konnte sie eine heftige Sehnsucht danach verspüren, mit in dieser Gemeinschaft der Menschen Gott nahe zu sein. Es war dies stets ein Teil ihres Lebens gewesen; nun stand sie mit ihrer ungebeichteten Sünde abseits.
    Sie sagte sich selbst, daß diese Trennung von Heim und Sippe und Christentum ja nur einige Zeit währe. Aber Erlend mußte sie an seiner Hand zurückführen. Wenn ihr Vater mit ihrer und Erlends Liebe einverstanden war, dann konnte sie zu ihm gehen wie früher; wenn sie und Erlend verheiratet waren, konnten sie beichten und für ihr Vergehen büßen.
    Sie begann Beweise dafür zu suchen, daß auch andere Menschen nicht sündenfrei waren, auch andere nicht. Sie gab mehr auf Geschwätz acht als früher und beobachtete alle Kleinigkeiten rings um sich, die darauf deuteten, daß nicht einmal die Schwestern hier im Kloster vollkommen heilig und unweltlich waren. Es waren nur kleine Dinge - unter Frau Groas Herrschaft war Nonneseter für die Welt das Vorbild einer göttlichen Schwesterngemeinschaft. Eifrig beim Gottesdienst, fleißig, fürsorglich gegen Arme und Kranke waren die Nonnen. Die Klausur war nicht so streng, daß die Schwestern nicht Besuch von ihren Freunden und Verwandten im Sprechzimmer empfangen durften, auch durften sie selbst diese in der Stadt besuchen, wenn ein besonderer Anlaß dazu war, aber noch keine Nonne hatte in all diesen Jahren, in denen Frau Groa dem Kloster vorgestanden hatte, dem Hause Schande bereitet.
    Jetzt aber besaß Kristin ein offenes Ohr für alle kleinen Ungehörigkeiten innerhalb der Klostermauern - kleine Zänkereien und Eifersucht und Eitelkeit. Außer bei der Krankenpflege wollte keine der Nonnen bei der groben Hausarbeit mit Hand anlegen - alle wollten sie gelehrte und kunstfertige Frauen sein; eine wollte die andere überholen, und jene Schwestern, die für solche vornehmen Fertigkeiten nicht begabt genug waren, verloren den Mut und brachten die Zeit wie in Betäubung zu.
    Frau Groa selbst war gelehrt und klug; sie wachte über den Wandel und Fleiß ihrer geistigen Töchter, aber sie nahm sich nur wenig ihres Seelenheils an. Zu Kristin war sie stets gut und freundlich gewesen - sie schien sie den anderen Zöglingen vorzuziehen; aber dies geschah deshalb, weil Kristin im Lesen und Schreiben und in den Handarbeiten wohlgelehrt war und fleißig und wortkarg. Frau Groa schien von den Schwestern niemals eine Antwort zu erwarten. Dagegen sprach sie gerne mit Männern. Die kamen und gingen in ihrem Sprechzimmer: Landbauern und Vertrauensmänner des Klosters, Prädikantenbrüder des Bischofs, Vertreter von der Hauptinsel, mit denen sie im Rechtsstreit lag. Sie war vollauf beschäftigt mit der Fürsorge für die großen Güter des Klosters, mit den Abrechnungen, sie schickte Kirchengewänder weg, erhielt Bücher zur Abschrift und sandte selbst solche an andere. Auch nicht die bösartigsten Menschen konnten an Frau Groas Tun etwas Unschickliches finden. Aber sie liebte es, nur von solchen Dingen zu reden, in denen Frauen selten Bescheid wissen.
    Der Prior, der in einem Haus für sich selbst nördlich der Kirche wohnte, schien nicht mehr eigenen Willen zu haben als die Schreibfeder der Äbtissin. Schwester Potentia waltete haupt-sächlich im Hause; und sie dachte vor allem daran, solchen Brauch im Hause zu halten, wie sie es in dem vornehmen deutschen Frauenkloster gesehen hatte, wo sie während ihres Noviziates gewesen war. Sie hieß früher Sigrid Ragnvaldstochter, hatte aber den Namen getauscht, als sie die Ordenstracht abnahm, denn so war es in anderen Ländern sehr häufig Sitte; auf ihren Vorschlag hin geschah es ebenfalls, daß auch die Zöglinge, die nur für kurze Zeit in Nonneseter waren, die Jungschwesterntracht trugen.
    Schwester Cecilia Baardstochter war nicht wie die anderen Nonnen. Sie ging umher, still, mit niedergeschlagenen Augen, antwortete stets sanft und demütig, war aller Dienstmagd, tat am liebsten die gröbste Arbeit, fastete mehr, als vorgeschrieben war - so viel, wie ihr Frau Groa erlaubte -, und kniete

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