Kristin Lavranstochter 1
nach dem Abendgebet stundenlang in der Kirche oder ging noch vor der Frühmesse dorthin.
Aber eines Abends, als sie den ganzen Tag am Bach gekniet und zusammen mit zwei Laienschwestern Wäsche gewaschen hatte, begann sie plötzlich beim Abendessen laut aufzuweinen. Sie warf sich auf den Steinboden, rutschte auf den Knien zwischen den Schwestern umher und schlug sich vor die Brust, und mit brennenden Wangen und unter strömenden Tränen bat sie alle, ihr zu verzeihen. Sie sei die ärgste Sünderin unter ihnen allen - steinhart vor Hochmut sei sie alle Tage gewesen. Hochmut und nicht Demut oder Dankbarkeit für Jesu Erlösertod hätten sie standhaft gemacht, wenn sie von der Welt in Versuchung geführt worden sei; sie sei hierhergeflüchtet, nicht, weil sie eines Mannes Seele liebe, sondern weil sie ihren eigenen Stolz liebe. Aus Hochmut habe sie ihren Schwestern gedient, Eitelkeit habe sie aus ihrem Wasserbecher getrunken, Selbstgerechtigkeit habe sie dick auf ihr trockenes Brot gestrichen, wenn die Schwestern bei den Mahlzeiten Bier tranken und Butter aßen.
Von alldem verstand Kristin nichts weiter, als daß also nicht einmal Cecilia Baardstochter wahrhaft heiligen Herzens war. Ein ungebrauchtes Talglicht, das unter dem Dach gehangen hatte und von Ruß und Spinnweben schmutzig geworden war - damit verglich die Schwester selbst ihre lieblose Keuschheit.
Frau Groa ging hin und hob das schluchzende junge Weib auf. Streng sagte sie, daß Cecilia um dieser Gesetzwidrigkeit willen zur Strafe aus dem Dormitorium der Schwestern aus-ziehen und sich in das Bett der Äbtissin selbst legen müsse, und dort solle sie liegenbleiben, bis sie sich vom Fieber wieder erholt habe.
„Und dann sollst du, Schwester Cecilia, acht Tage lang auf meinem Platz sitzen, wir wollen dich in geistigen Dingen um Rat fragen und dir um deiner göttlichen Lebensweise willen solche Ehren erweisen, daß du satt werden kannst an den Huldigungen sündiger Menschen. Dann kannst du darüber urteilen, ob diese so erstrebenswert sind, und dann kannst du wählen, ob du nach den Regeln leben möchtest wie wir anderen oder ob du dich Übungen unterziehen willst, die niemand von dir fordert. Dann kannst du überlegen, ob du aus Liebe zu Gott, auf daß er gnädig auf dich herabblicke, alle die Dinge tun willst, von denen du nun sagst, du habest sie getan, damit wir zu dir aufblicken sollten.“
So geschah es. Schwester Cecilia schlief vierzehn Tage im Zimmer der Äbtissin; sie hatte heftiges Fieber, und Frau Groa selbst pflegte sie. Als sie wieder aufstehen konnte, mußte sie acht Tage lang sowohl in der Kirche als daheim im Hochsitz neben der Äbtissin sitzen, und alle warteten ihr auf - sie weinte die ganze Zeit, als würde sie geschlagen. Von da an war sie viel sanftmütiger und fröhlicher. Sie lebte fast genauso weiter wie zuvor, aber sie errötete wie eine Braut, wenn jemand sie ansah, ob sie nun den Boden fegte oder allein zur Kirche ging.
Dieses Geheimnis mit Schwester Cecilia weckte jedoch in Kristin eine starke Sehnsucht nach Frieden und Ausgleich mit allem, von dem sie sich nun ausgeschlossen fühlte. Sie dachte an Bruder Edvin, und eines Tages faßte sie Mut und bat Frau Groa um die Erlaubnis, zu den Barfußbrüdern hinausgehen und einen Freund begrüßen zu dürfen, den sie dort kenne.
Sie merkte, daß Frau Groa es nicht gerne sah - es herrschte wenig Freundschaft zwischen den Minoriten und den übrigen Klöstern im Bistum. Und die Äbtissin wurde nicht sanfter, als sie hörte, wer Kristins Freund war. Sie sagte, dieser Bruder Edvin sei ein unsicherer Gottesmann - treibe sich stets im Lande herum und wolle in fremden Bistümern terminieren. Die Leute hielten ihn vielenorts für einen heiligen Mann, er aber scheine nicht zu begreifen, daß die erste Pflicht eines Franziskaners Gehorsam gegen die Vorgesetzten sei. Er habe Vogelfreien und Geächteten die Beichte abgenommen, habe ihre Kinder getauft und sie in die Erde gebettet, ohne um Erlaubnis zu fragen - allein, er habe wohl ebensosehr aus Unverstand wie aus Trotz gesündigt und geduldig die Züchtigungen ertragen, die ihm um dieser Sachen willen auferlegt worden seien. Man übe Nachsicht mit ihm, weil er tüchtig in seinem Handwerk sei - aber auch bei der Ausübung dieses Handwerks sei er mit den Leuten in Streit geraten; die Bildermeister des Bischofs in Björgvin* wollten es nicht mehr leiden, daß er dort ins Bistum komme und wirke.
Kristin erdreistete sich, zu fragen, woher er gekommen
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