Kristin Lavranstochter 1
waren, daß sie die Häuser auf Skog sehen konnten, nahm er Abschied.
„Kristin - sei nicht so traurig, der Tag, an dem du mein Weib wirst, wird kommen, ehe du es glaubst.“
Aber ihr sank das Herz in der Brust, als sie sagte:
„So mußt du von mir fort?“ Sie fragte angstvoll.
„Sowie du von Skog abgereist bist“, sagte er, und seine Stimme klang sofort frischer. „Wenn es keinen Krieg gibt, will ich mit Munan sprechen, er hat lange in mich gedrungen, ich solle mich verheiraten - er wird mich sicher begleiten und für mich bei deinem Vater werben.“
Kristin senkte den Kopf; mit jedem Wort, das er sagte, dünkte sie die Zeit, die vor ihr lag, länger und unfaßbarer: das Kloster, Jörundhof... Es war, als treibe sie auf einem Strom, der sie von alldem forttrug.
„Schläfst du allein in der Giebelstube, nun, da deine Verwandten abgereist sind“, fragte Erlend, „dann komme ich heute abend und spreche mit dir, wirst du mich einlassen?“
„Ja“, sagte Kristin leise. Und dann trennten sie sich.
Den Rest des Tages saß sie bei der Großmutter, und nach dem Nachtmahl brachte sie die alte Frau zu Bett. Dann ging sie in das Oberstockwerk hinauf, wo sie schlafen sollte. Es war ein kleines Fenster in der Wand; Kristin setzte sich auf die Truhe, die darunter stand - hatte keine Lust, zu Bett zu gehen.
Sie mußte lange warten. Es war ganz dunkel draußen, als sie leise Schritte auf dem gedeckten Söller hörte. Erlend klopfte an die Türe, die Fingerknöchel unter dem Umhang, und Kristin stand auf, zog den Riegel zurück und ließ Erlend zu sich ein.
Sie merkte, daß er sehr froh war, als sie die Arme um seinen Hals schlang und sich an ihn schmiegte.
„Ich fürchtete, du würdest mir böse sein“, sagte er.
„Du sollst nicht traurig sein wegen dieser Sünde“, sagte er einmal später. „Es ist keine große Sünde. Gottes Gesetz ist darin nicht so wie das Landesgesetz. Gunnulv, mein Bruder, hat mir das einmal dargelegt - wenn zwei beschließen, für alle Zeit aneinander festzuhalten, und sie liegen dann beieinander, dann sind sie vor Gott verheiratet und können die Verbindung nicht ohne große Sünde lösen. Ich kann dir das Wort auf lateinisch sagen, wenn es mir einfällt - ich habe es doch einmal gewußt
Kristin dachte darüber nach, warum Erlends Bruder das wohl gesagt hatte, aber sie wies die widerstrebende Angst, es könnte um Erlends und einer anderen willen gesagt worden sein, von sich und versuchte in seinen Worten Trost zu finden.
Sie saßen miteinander auf der Truhe, er hielt den Arm um sie gelegt, und Kristin fühlte sich nun ruhig und sicher - an seiner Seite war der einzige Ort, wo sie sich jetzt sicher und geborgen fühlen konnte.
Von Zeit zu Zeit sprach Erlend viel und aufgeräumt - dann wieder war er lange Zeit still und liebkoste sie nur. Ohne daß Kristin es wußte, sammelte sie von allem, was er sagte, jeden kleinen Zug, der ihn schöner und ihr lieber machen und seine Schuld in allem, was sie von ihm wußte und was nicht gut war, verringern konnte.
Erlends Vater, Herr Nikulaus, war schon so alt gewesen, als er die Kinder bekam, daß er weder die Geduld noch die Gabe dazu hatte, sie selbst zu erziehen; beide Söhne waren im Hause des Herrn Baard Peterssohn auf Hestnaes aufgewachsen. Erlend hatte keine anderen Geschwister als den Bruder Gunnulv; der war ein Jahr jünger und war Priester an der Christkirche in Nidaros. „Ihn habe ich am liebsten von allen Menschen außer dir.“
Kristin fragte, ob Gunnulv ihm gleiche, aber Erlend lachte, sie seien einander sehr unähnlich, innerlich wie äußerlich. Nun war Gunnulv im Ausland und studierte - war im dritten Jahre fort, aber er hatte zweimal einen Brief heimgesandt, das letztemal im vergangenen Jahr, als er von Sankta Genoveva in Paris abreisen und nach Rom fahren wollte. „Er wird sich freuen, Gunnulv, wenn er heimkommt und mich verheiratet findet“, sagte Erlend.
Dann sprachen sie von der großen Erbschaft, die ihm von seinen Eltern hinterlassen worden war - Kristin merkte, daß er selbst kaum Bescheid darüber wußte, wie seine Sachen jetzt standen. Sie wußte ziemlich viel von ihres Vaters Landkäufen. -Erlend hatte seine Geschäfte nach der anderen Richtung gemacht, verkauft und zerstreut und vergeudet und verpfändet, am schlimmsten in den letzten Jahren, als er sich von seiner Buhlerin trennen wollte und deshalb gemeint hatte, daß sein übles Leben mit der Zeit vergessen werden würde und die Verwandten sich seiner
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