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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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meinen Gruß nicht zu Ende bringen. Ingebjörg sagte in der letzten Zeit manchmal, nun glaube sie, Ihr hättet sie ganz vergessen.“
    Sie sah, daß es ihm viel schwerer fiel, sich zu fassen, als ihr -da kostete es sie große Mühe, das kleine zärtliche Lächeln zurückzuhalten, das auf ihre Lippen treten wollte.
    „Ihr mögt der Jungfrau danken, daß sie sich meiner noch erinnert“, sagte er stotternd. „Mehr noch fürchtete ich, daß sie mich vergessen habe.“
    Kristin zögerte ein wenig. Sie wußte nicht, was sie sagen sollte, das von Ingebjörg der Flüchtigen sein könnte und das Erlend doch recht deuten würde. Da stieg in ihr eine Bitterkeit über die Ohnmacht aller dieser Monate auf, und sie sagte:
    „Lieber Erlend, könnt Ihr glauben, daß wir Mädchen den Mann vergessen würden, der unsere Ehre so wacker verteidigt hat.“
    Sie sah, daß er zusammenfuhr, als habe sie ihn geschlagen -sie bereute es sofort. Da fragte Simon, was dies sei. Kristin erzählte ihm von Ingebjörgs und ihrem Abenteuer im Eikabergwald. Sie merkte, daß Simon es nicht gerne hörte. Da bat sie ihn, Frau Angerd zu suchen und zu sehen, ob sie nicht bald aufbrechen könnten; sie sei nun doch müde. Als er gegangen war, blickte sie Erlend an.
    „Es ist merkwürdig“, sagte dieser leise, „wie schnell du dir Rat weißt - das hätte ich nicht von dir gedacht.“
    „Ich habe lernen müssen, mich zu verstellen, das magst du glauben“, erwiderte sie finster.
    Erlend atmete schwer; er war immer noch sehr bleich.
    „Steht es so um dich“, flüsterte er. „Du hattest doch versprochen, dich an meine Freunde zu wenden, wenn es soweit kommen sollte. Gott weiß, daß ich jeden Tag daran gedacht habe, ob das Schlimmste eingetreten sein sollte ..
    „Ich weiß, was du mit dem Schlimmsten meinst“, sagte Kristin kurz. „Das brauchst du nicht zu befürchten. Am schlimmsten dünkte es mich, daß du mich nicht mit einem einzigen Worte grüßen ließest - kannst du nicht verstehen, daß ich unter den Nonnen wie ein fremder Vogel umhergehe?“ Sie hielt inne, denn sie fühlte, daß die Tränen hervorbrechen wollten.
    „Bist du deshalb jetzt mit den Leuten von Dyfrin zusammen?“ fragte er. Da wurde sie so betrübt, daß sie nicht antworten konnte.
    Sie sah Frau Angerd und Simon in die Türe treten. Erlends Hand hing über sein Knie herab, ihr ganz nahe, und sie durfte sie nicht fassen.
    „Ich muß mit dir sprechen“, sagte er heftig. „Wir haben einander nicht ein Wort von dem gesagt, was wir sagen sollten.“
    „Komm nach dem letzten Weihnachtsfeiertag zur Messe in die Mariakirche“, antwortete Kristin rasch, erhob sich und ging den beiden anderen entgegen.
    Frau Angerd war auf dem Heimweg sehr liebevoll und fürsorglich zu Kristin und half ihr selbst ins Bett. Simon und sie sprachen erst am nächsten Tag miteinander. Da sagte er:
    „Wie ist es möglich, daß du zwischen diesem Erlend und Ingebjörg Filippustochter Botschaft vermittelst? Du sollst deine
    Hand nicht dazu reichen, wenn sie irgendeinen heimlichen Handel miteinander haben!“
    „Es hat wohl nichts auf sich“, entgegnete Kristin, „sie ist eine Schwätzerin.“
    „Ich dächte im übrigen“, meinte Simon, „du hättest so viel Vorsicht lernen können, daß du dich mit dieser Elster nicht allein in den Wald und auf die Wege hinauswagen würdest.“
    Aber Kristin erinnerte ihn daran, daß sie nicht durch ihre Schuld auf Irrwege geraten war. Da sagte Simon nichts mehr. -Am Tage darauf begleiteten die Leute von Dyfrin sie ins Kloster zurück, ehe sie selbst heimritten.
    Erlend kam eine Woche lang jeden Tag zur Abendandacht in die Klosterkirche, ohne daß Kristin Gelegenheit hatte, ein Wort mit ihm zu wechseln. Sie kam sich wie ein Falke vor, der mit der Haube über den Augen an die Stange gefesselt ist. Sie war über jedes Wort unglücklich, das sie bei ihrem letzten Zusammentreffen einander gesagt hatten - es hätte nicht so sein dürfen. Es half nichts, wenn sie sich selbst vorsagte, daß es zu plötzlich über sie beide gekommen war und daß sie wohl kaum gewußt hatten, was sie sagten.
    Aber eines Nachmittags in der Dämmerung trat eine schöne Frau in die Sprechstube, die wie die Frau eines Städters aussah. Sie fragte nach Kristin Lavranstochter und sagte, sie sei die Frau eines Kleiderhändlers, ihr Mann sei kürzlich von Dänemark mit einigen schönen Kleidern gekommen; Aasmund Björgulvssohn wolle seiner Brudertochter eines schenken, und das Mädchen solle mit ihr

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