Kristin Lavranstochter 1
Erlend fragte, ob sie bemerke, daß es die gleichen Farben seien wie in dem Kleid, das sie an jenem Tage im Wald getragen habe. Kristin wunderte sich selbst, daß sie so froh darüber werden konnte, als er das sagte - es dünkte sie, er habe ihr nie eine größere Freude bereitet als mit diesen Worten.
Nun aber konnten sie diese Ausrede nicht mehr gebrauchen, um zusammenzukommen, und es war nicht leicht, etwas Neues ausfindig zu machen. Erlend ging zur Abendmesse in die Klosterkirche, und einige Male konnte Kristin sich nach dem Gottesdienst bei den Häusern der Pfründnerleute etwas zu schaffen machen; so stahlen sie sich einige Augenblicke des Zusammenseins oben hinter den Zäunen in der Dunkelheit des Winterabends.
Da kam Kristin auf den Gedanken, Schwester Potentia um die Erlaubnis zu bitten, einige gichtbrüchige alte Frauen, Almosenempfänger des Klosters, die etwas entfernt in einem Haus auf freiem Felde wohnten, besuchen zu dürfen. Hinter dem Haus war ein Nebengebäude, wo die Frauen eine Kuh hielten; Kristin erbot sich, die Kuh zu versorgen, wenn sie dort war, und dann ließ sie Erlend während dieser Zeit zu sich herein.
Mit leisem Staunen merkte sie, daß, so froh Erlend war, bei ihr zu sein, es ihn doch kränkte, sie auf diesen Ausweg verfallen zu sehen.
„Es war nicht zu deinem eigenen Besten, daß du mich kennengelernt hast“, sagte er eines Abends, „nun hast du gelernt, solche heimlichen Auswege zu suchen.“
„Du solltest mir das nicht als Schuld vorwerfen“, erwiderte Kristin betrübt.
„Nicht dir mache ich es zum Vorwurf“, sagte Erlend rasch und scheu.
„Ich hätte selbst nicht gedacht“, fuhr sie fort, „daß es mir so leichtfallen würde zu lügen. Aber man kann, was man muß.“
„Das ist nicht immer wahr“, sagte Erlend wie zuvor. „Entsinnst du dich, in diesem Winter konntest du deinem Bräutigam nicht einmal sagen, daß du ihn nicht haben wolltest.“
Darauf antwortete Kristin nicht, sondern streichelte sein Gesicht.
Nie fühlte sie so stark, wie lieb sie Erlend hatte, als wenn er solche Dinge sagte und sie betrübt oder nachdenklich machte. Sie war froh, daß sie die Schuld für alles, was beschämend und unrichtig in ihrer Liebe war, auf sich nehmen konnte. Hätte sie den Mut gehabt, mit Simon so zu reden, wie sie sollte, dann wären sie vielleicht nun mit der Ordnung ihrer Angelegenheiten schon weit gewesen. Erlend hatte alles getan, was er konnte, als er mit seinen Verwandten von der Hochzeit gesprochen hatte. Das sagte sie sich selbst, wenn die Tage im Kloster lang und schwer zu ertragen waren - Erlend hatte alles recht und gut machen wollen. Mit kleinem zärtlichem Lächeln dachte sie an ihn, wie er ihr von ihrer Hochzeit sprach - sie sollte in Samt und Seide zur Kirche reiten, sie sollte mit hoher Goldkrone auf dem offenen Haar, dem schönen, schönen Haar, zum Brautbett geführt werden, sagte er und ließ ihre Flechten durch seine Hände gleiten.
Einmal, als er von solchen Dingen redete, meinte Kristin gedankenvoll:
„Es kann doch nicht so für dich werden, als hättest du mich nie besessen.“
Da riß er sie stürmisch an sich.
„Weiß ich denn noch, wie ich zum erstenmal Weihnachten gefeiert habe oder wie ich zum erstenmal die Wiesen daheim nach dem Winter grün werden sah? Oh, wohl erinnere ich mich noch an das erste Mal, da ich dich hatte, und an jedes einzige Mal seitdem - aber dich besitzen ist immer wieder wie Weihnachten feiern und ist wie eine ewige Vogeljagd in grünen Hainen.“ Glücklich schmiegte sie sich an ihn. Nicht, weil sie je daran glauben konnte, daß es so gehen würde, wie Erlend so sicher erwartete, vielmehr dachte sie, der Tag des Gerichts würde sicher über kurz oder lang über sie hereinbrechen. Dies alles konnte doch unmöglich gut weitergehen. Aber sie war nicht furchtsam - sie hatte weit eher davor Angst, daß Erlend nach dem Norden reisen würde, ehe die Sache aufkam, und sie wieder Zurückbleiben müßte, getrennt von ihm. Er war nun auf der Burg auf Akersnes drüben; Munan Baardssohn war dort, solange der Schatzmeister in Tunsberg war, wo der König gefährlich krank darniederlag. Aber einmal mußte ja Erlend wohl nach Norden reiten und nach seinen Besitztümern sehen. Ihre Angst davor, daß er heim nach Husaby sollte, wo seine Buhle saß und auf ihn wartete, wollte sie sich nicht einmal vor sich selbst eingestehen, und auch nicht, daß sie weniger Furcht davor hatte, in der Sünde mit Erlend ertappt zu werden, als
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