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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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gehen und es selbst auswählen.
    Kristin erhielt Erlaubnis, mit der Frau zu gehen. Es dünkte sie ihrem Oheim gar nicht ähnlich, daß er ihr ein so kostbares Geschenk geben wollte, und es schien ihr merkwürdig zu sein, daß er ihr eine fremde Frau schickte. Diese war zuerst wortkarg und antwortete wenig auf Kristins Fragen, aber als sie in der Stadt waren, sagte sie plötzlich:
    „Ich will dich nicht täuschen, ein so schönes Kind, wie du bist - ich will dir sagen, wie es sich verhält, dann magst du alles selbst bestimmen. Nicht dein Oheim hat mich gesandt, sondern ein Mann - du kannst seinen Namen vielleicht erraten, und kannst du es nicht, so sollst du nicht mit mir gehen. Ich habe keinen Mann und muß mich und die Meinen damit durchbringen, daß ich eine Herberge halte und Bier ausschenke;
    da darf man nicht Angst haben vor Sünden oder Bütteln - aber ich will mein Haus nicht dazu hergeben, daß du innerhalb meiner Türpfosten genarrt wirst.“
    Kristin blieb stehen, rot im Gesicht. Sie fühlte sich so merkwürdig wund und beschämt um Erlends willen. Die Frau sagte: „Ich werde dich zum Kloster zurückbegleiten, Kristin - aber du mußt mir etwas für die Mühe geben, der Ritter versprach mir einen großen Lohn. Auch ich bin einmal schön gewesen, und auch ich wurde betrogen. Und dann kannst du gerne meiner ein wenig bei deinem heutigen Abendgebet gedenken - man nennt mich Brynhild Fluga.“
    Kristin zog einen Ring von ihrem Finger und gab ihn der Frau. „Das ist schön von dir, Brynhild - wenn aber der Mann mein Verwandter Erlend Nikulaussohn ist, dann habe ich nichts zu befürchten; er will, daß ich ihn mit meinem Oheim versöhne. Du brauchst nichts zu bereuen - aber du sollst bedankt dafür sein, daß du mich warnen wolltest.“
    Brynhild Fluga wandte sich ab, um ein Lächeln zu verbergen. Sie führte Kristin durch die engen Gassen hinter der Klemenskirche und gen Norden zum Flusse. Hier an den Hängen des Ufers lagen einige kleine Höfe für sich allein. Sie gingen zwischen Zäunen hindurch, und da kam ihnen Erlend entgegen. Er sah sich nach allen Seiten um, dann nahm er seinen Umhang ab, schlang ihn um Kristin und zog ihr die Haube tief über das Gesicht.
    „Wie dünkt dich dieser Ausweg?“ fragte er schnell und leise. „Dünkt dich, daß ich sehr Arges tue - aber ich muß mit dir sprechen.“
    „Es kann uns wohl nur wenig nützen, darüber nachzudenken, was recht und was unrecht ist“, sagte Kristin.
    „Sprich nicht so“, bat Erlend. „Ich trage die Schuld. Kristin, ich habe mich jeden Tag und jede Nacht nach dir gesehnt“, flüsterte er dicht an ihrem Ohr.
    Es durchfuhr sie ein Beben, als sie für eine Sekunde seinem Blick begegnete. Als er sie so ansah, fühlte sie sich schuldig, weil sie an etwas anderes als an die Liebe zu ihm gedacht hatte.
    Brynhild Fluga war vorausgegangen. Erlend fragte, als sie auf den Hof kamen:
    „Willst du, daß wir in die Stube gehen, oder wollen wir oben im Dachraum miteinander reden?“
    „Wie du willst“, antwortete Kristin.
    „Es ist kalt oben“, sagte Erlend leise. „Wir müssen uns ins Bett legen ...", und Kristin nickte nur.
    Kaum hatte er die Tür hinter ihnen geschlossen, lag sie in seinen Armen. Er bog sie hin und her wie eine Gerte, schloß ihr die Augen mit Küssen und erstickte sie fast mit Küssen, während er ihr ungeduldig ihre beiden Umhänge herunterriß und auf den Boden warf. Dann hob er das Mädchen in der hellen Klostertracht auf, drückte sie an seine Schulter und trug sie zu seinem Bett. Erschrocken von seiner Gewalttätigkeit und von ihrer eigenen plötzlichen Begierde nach dem Mann, umarmte sie ihn und verbarg ihr Gesicht an seinem Hals.
    Es war so kalt in dem Dachraum, daß sie ihren eigenen Atem wie einen Rauch gegen das kleine Licht sehen konnten, das auf dem Tisch stand. Aber im Bett waren reichlich Decken und Felle, zuoberst ein großes Bärenfell, und das zogen sie ganz bis ans Gesicht hinauf. Sie wußte nicht, wie lange sie so in seine Arme gefaltet gelegen hatte, als Erlend sagte:
    „Nun müssen wir von dem sprechen, was besprochen werden muß, meine Kristin - ich wage nicht, dich noch lange hierzubehalten.“
    „Ich wage die ganze Nacht hierzubleiben, wenn du es willst“, flüsterte sie.
    „Dann wäre ich wohl nicht dein Freund. Es ist schon schlimm genug so, wie es ist, aber ins Gerede der Leute sollst du um meinetwillen nicht kommen.“
    Kristin antwortete nicht - aber in ihr rührte sich etwas schmerzlich: sie

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