Kristin Lavranstochter 1
begriff nicht, daß er so etwas sagen konnte, er, der sie hierher in Brynhild Flugas Hof hatte kommen lassen, sie wußte nicht, wieso sie es wissen konnte, aber sie verstand, daß dies kein guter Ort war. Und er hatte erwartet, daß alles so gehen würde, wie es gegangen war, denn er hatte einen Krug Met am Bett stehen.
„Ich habe mir schon gedacht“, sagte Erlend wieder, „wenn es nicht anders geht, dann muß ich dich mit Gewalt entführen -nach Schweden hinein. Frau Ingebjörg nahm mich in diesem Herbst gut auf und erinnerte sich der Verwandtschaft zwischen uns. Nun aber brennen mich meine Sünden - ich bin schon früher aus dem Land entwichen, weißt du -, und ich will nicht, daß man von dir wie von der anderen spricht.“
„Nimm mich mit dir heim nach Husaby“, sagte Kristin leise. „Ich vermag nicht mehr getrennt von dir zu leben und zwischen
den Zöglingen im Kloster umherzugehen. Deine Verwandten wie auch die meinen werden wohl so vernünftig sein, daß sie uns Zusammenkommen lassen und sich mit uns aussöhnen.“ Erlend preßte sie an sich und stöhnte:
„Ich kann dich nicht nach Husaby führen, Kristin.“
„Warum kannst du das nicht?“ fragte sie leise.
„Eline kam im Herbst dorthin“, sagte er nach einer Weile. „Ich kann sie nicht vom Hof wegbringen“, fuhr er heftig fort, „nicht, ohne daß ich sie mit Gewalt zum Schlitten hinaustrage und sie wegfahre. Und mich dünkt nicht, daß ich das kann - sie hat unsere beiden Kinder mit heimgebracht.“
Kristin war es, als sinke und sinke sie. Mit einer Stimme, spröde vor Furcht, sagte sie:
„Ich glaubte, du seist von ihr getrennt..."
„Das glaubte auch ich“, antwortete Erlend kurz. „Aber sie hat wohl im Östertal, wo sie sich aufhielt, erfahren, daß ich ans Heiraten denke. Du sahst den Mann, mit dem ich auf dem Fest beim König zusammen war - das war mein Pflegevater, Baard Peterssohn von Hestnaes. Ich ritt zu ihm, als ich von Schweden kam, ich war auch bei meinem Verwandten Heming Alvssohn in Saltviken; ich sprach mit den beiden darüber, daß ich nun heiraten wolle, und bat sie, mir zu helfen. Das hat Eline erfahren.
Ich bot ihr an, zu fordern, was sie nur wolle, für sich und die Kinder, aber man erwartet, daß Sigurd, ihr Mann, den Winter nicht mehr überleben wird - und dann kann uns niemand verweigern, zusammen zu leben. Ich schlief im Stall mit Haftor und Ulv, und Eline lag in der Stube in meinem Bett. Ich glaube, meine Dienstleute haben hinter meinem Rücken nicht schlecht gelacht.“
Kristin konnte kein Wort sagen. Da fing Erlend wieder an: „Du weißt, an dem Tage, an dem unser beider Verspruchsfest gefeiert ist, muß sie wohl begreifen, daß es ihr nichts nützt - sie hat keine Macht mehr über mich.
Aber es ist so arg wegen der Kinder. Ich hatte sie ein Jahr lang nicht mehr gesehen. Sie sind schön - und ich kann nur wenig tun, um ihre Zukunft sicherzustellen. Es würde ihnen nicht viel geholfen haben, wenn ich mich mit der Mutter hätte verheiraten können.“
Die Tränen liefen nun Kristin über die Wangen hinab. Da sagte Erlend:
„Hörtest du? Ich sagte, daß ich mit meinen Verwandten gesprochen habe! Ja, sie waren des wohl zufrieden, daß ich mich nun verheiraten wollte. Dann sagte ich, daß du es seist, die ich haben wolle, und keine andere.“
„Wollen sie denn davon nichts wissen?“ fragte Kristin schließlich verzagt.
„Begreifst du nicht“, sagte Erlend finster, „daß sie nicht anders sagen konnten als - sie könnten nicht und wollten nicht mit mir zu deinem Vater reiten, ehe dieser Handel zwischen dir und Simon Andressohn wieder gelöst wäre. Es hat es für uns nicht leichter gemacht, Kristin, daß du mit den Leuten von Dyfrin Weihnachten gefeiert hast.“
Kristin brach ganz zusammen und weinte still. Sie hatte wohl gefühlt, daß in ihrer Liebe etwas Unrechtes und Unehrenhaftes war, und nun sah sie, daß die Schuld bei ihr lag.
Sie bebte vor Kälte, als sie kurz darauf aufstand und Erlend sie in beide Umhänge hüllte. Es war jetzt ganz dunkel draußen, und Erlend begleitete sie bis zum Klemenskirchhof; dann brachte Brynhild sie den Rest des Weges bis Nonneseter.
7
Die Woche darauf kam Brynhild Fluga mit der Botschaft, daß der Umhang fertig sei, und Kristin ging mit ihr und war bei Erlend in der Giebelstube wie das letztemal.
Als sie sich trennten, gab er ihr einen Umhang. „Damit du im Kloster etwas vorzeigen kannst“, sagte er. Er war aus blauem Samt mit eingewebter roter Seide, und
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