Kristin Lavranstochter 1
wenn du nicht innerhalb einer angemessenen Frist bei Kristins Vater um sie hast werben lassen.“ „Ich tue das nicht auf dein Geheiß, Simon Andressohn“, sagte Erlend heftig; die Röte überzog wieder sein Gesicht.
„Nein, tu du das, um wiedergutzumachen, was du gegen ein so junges Weib verbrochen hast“, erwiderte Simon unbeirrbar, „dann ist es um so besser für Kristin.“
Kristin schrie laut auf, gepeinigt durch Erlends Pein. Sie stampfte auf den Boden.
„Geh doch, Simon, geh - was hast du mit unseren Sachen zu schaffen!“
„Das habe ich gerade gesagt“, antwortete Simon. „Ihr müßt mich so lange ertragen, bis dein Vater uns voneinander freigegeben hat.“ Kristin brach ganz zusammen.
„Geh, geh, ich komme sofort nach. Jesus! Weshalb quälst du mich so, Simon - dich dünkt ja doch wohl selbst nicht, ich sei es wert, daß du dich um meine Sachen bekümmerst.“
„Es ist auch nicht um deinetwillen, daß ich das tue“, erwiderte Simon. „Erlend - wollet nicht Ihr ihr sagen, daß sie mit mir kommen soll?“
Erlends Gesicht bebte. Er rührte an ihre Schulter.
„Du mußt es tun, Kristin. Simon Darre und ich werden ein andermal miteinander sprechen ...“
Kristin erhob sich gehorsam. Sie legte den Umhang an. Ihre Schuhe standen beim Bett - sie entsann sich dessen, aber sie vermochte nicht, sie vor Simons Augen anzuziehen.
Draußen hatte der Nebel sich wieder herabgesenkt. Kristin ging eilends dahin, den Kopf gebeugt und die Hände in den Umhang verkrampft. Ihre Kehle war von unterdrücktem Weinen wie abgeschnürt - wild sehnte sie sich nach einem Ort, wohin sie hätte flüchten können, um allein sein und schluchzen, schluchzen zu dürfen. Das Schlimmste stand ihr wohl noch bevor, sie hatte an diesem Abend etwas Neues zu kosten bekommen - und sie wand sich darunter -, hatte zu fühlen bekommen, wie jener Mann gedemütigt wurde, dem sie sich hingegeben hatte.
Simon ging dicht an ihrem Ellbogen, während sie durch die Gassen lief, durch die Straßen und über die offenen Plätze, wo die Häuser zurücktraten und sie nichts sehen konnten außer dem Nebel. Einmal, als sie über etwas stolperte, ergriff er sie beim Arm, damit sie nicht falle.
„Lauf doch nicht so“, sagte er. „Die Leute sehen uns nach. - Wie du zitterst !“ fügte er milder hinzu. Kristin schwieg und ging weiter.
Sie glitt im Straßenschmutz aus, war durchnäßt und hatte eiskalte Füße - ihre Strümpfe waren aus Leder, aber dünn; sie fühlte, daß sie zerrissen, der Schmutz drang bis auf die nackte Haut.
Sie erreichten die Brücke, die über den Klosterbach führte, und gingen langsamer die Hänge auf der anderen Seite hinauf.
„Kristin“, sagte Simon plötzlich, „dies darf dein Vater niemals erfahren.“
„Wie konntest du wissen, daß ich - dort war?“ fragte Kristin.
„Ich kam, um mit dir zu sprechen“, antwortete Simon kurz. „Da hörte ich von diesem Knecht deines Oheims. Ich wußte, daß Aasmund auf Hadeland ist. Sehr schlau im Erfinden seid ihr nicht. - Hörtest du, was ich sagte?“
„Ja“, entgegnete Kristin. „Ich war es, die Erlend benachrichtigen ließ, daß wir uns im Flugahof treffen sollten, ich kannte die Frau ...“
„Oh, pfui doch! Oh, aber du konntest nicht wissen, was sie für eine ist - und er... Hörst du“, sagte Simon hart, „ist es so, daß es sich verbergen läßt, dann mußt du vor Lavrans verbergen, was du weggeworfen hast. Und kannst du es nicht, so mußt du versuchen, ihm das Häßlichste der Schande zu ersparen.“
„Du bist sehr besorgt um meinen Vater“, sagte Kristin bebend. Sie versuchte, trotzig zu sprechen, aber ihre Stimme war nahe daran, vor Weinen zu brechen.
Simon ging eine Weile weiter. Dann blieb er stehen - sie konnte sein Gesicht erkennen, wie sie so allein miteinander im Nebel standen. So hatte er noch nie zuvor ausgesehen.
„Ich habe es gemerkt, sooft ich bei euch daheim war“, sagte er, „ihr habt wenig Verständnis dafür gehabt, ihr Weibervolk, was Lavrans für ein Mann ist. Er hat euch nicht in der Hand, sagt dieser Trond Gjesling - sollte er sich wohl um so etwas kümmern, Lavrans, der dazu geschaffen wäre, über Männer zu herrschen! Er wäre ein Führer gewesen, einer, dem die Männer freudig gefolgt wären. Es ist jetzt nicht mehr die Zeit für solche Kerle - mein Vater war mit ihm bei Baagahus zusammen. Aber es ist nichts weiter aus allem geworden, als daß er da oben im Tal umhergegangen ist, fast wie ein Bauer. Allzu jung wurde er
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