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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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er es hätte tun mögen; die Männer, die die Landwirtschaft besorgten, waren ältere Leute und kamen selten in die Nähe der Nonnenwohnungen, außer um mit der Äbtissin selbst zu sprechen. So war nur Olav übrig. Das war ein halberwachsener Junge, der in den Obstgärten arbeitete; er war Frau Groas Pflegesohn, seitdem man ihn eines Morgens als neugeborenes Kind auf der Kirchentreppe gefunden hatte. Die Leute sagten, seine Mutter sei eine der Laienschwestern; sie hätte zur Nonne geweiht werden sollen, aber nachdem sie sechs Monate in der dunklen Kammer gesessen hatte - wegen groben Ungehorsams, so hieß es, und das war um die Zeit gewesen, als das Kind gefunden wurde -, hatte sie die Laienschwesterntracht erhalten und seitdem in den Viehställen gearbeitet. Kristin hatte in diesen Monaten oft an Schwester Ingrids Schicksal gedacht, aber sie hatte wenig Gelegenheit gefunden, mit ihr zu sprechen. Es war gewagt, auf Olav zu vertrauen - er war nur ein Kind, und Frau Groa und alle Nonnen plauderten und scherzten mit ihm, wenn sie den Jungen sahen. Aber Kristin dachte, sie habe nun nicht mehr viel zu verlieren. Und ein paar Tage später, als Olav eines Morgens zur Stadt sollte, überredete Kristin ihn, die Botschaft nach Akersnes hinauszutragen, Erlend möge dafür sorgen, daß sie sich allein treffen könnten.
    Am selben Nachmittag kam Ulv, Erlends Reitknecht, ans Sprechgitter. Er sagte, er sei einer von Aasmund Björgulvssohns Leuten und solle von seinem Hausvater aus bitten, daß die Bruderstochter ein wenig in die Stadt mitgehen dürfe, denn Aasmund habe keine Zeit, nach Nonneseter zu kommen. Kristin fürchtete, dies würde schlimm ausgehen - aber als Schwester Potentia fragte, ob sie den Boten kenne, sagte sie ja. So ging sie mit Ulv zu Brynhild Flugas Haus.
    Erlend erwartete sie in der Dachstube - er war in Angst und in Spannung, und sie begriff sofort, daß er nun wieder um das besorgt war, was er am meisten zu fürchten schien.
    Immer gab es ihr einen Stich, daß er solche Angst davor hatte, sie könnte ein Kind erwarten - wenn sie nun doch schon nicht ohne einander leben konnten. Aufgeregt, wie sie an diesem Abend war, sagte sie ihm das jetzt - ziemlich heftig. Erlend wurde dunkelrot im Gesicht, er legte den Kopf auf ihre Schulter.
    „Du hast recht“, sagte er. „Ich muß versuchen, dich in Ruhe zu lassen, und darf nicht dein Glück so aufs Spiel setzen. Wenn du willst..
    Sie schlang die Arme um ihn und lachte, er aber packte sie hart um die Mitte, zwang sie auf die Bank nieder und nahm selbst auf der anderen Seite des Tisches Platz. Als sie ihm die Hand hinüberreichte, küßte er sie heftig auf die innere Handfläche.
    „Ich habe mehr hinter mir als du“, sagte er heftig. „Du solltest wissen, du, wie sehr mir daran liegt, daß wir mit vollen Ehren heiraten können.“
    „Da hättest du mich nicht nehmen sollen“, sagte Kristin.
    Erlend barg sein Gesicht in der Hand.
    „Nein, wollte Gott, ich hätte dir dieses Unrecht nicht zugefügt“, sagte er.
    „Das wünschest weder du noch ich“, sagte Kristin und lachte übermütig. „Und kann ich mich nur schließlich mit meiner Sippe und mit Gott wieder versöhnen, dann werde ich mir keine Sorgen darum machen, wenn ich mich unter der Frauenhaube verheiraten muß. Und dürfte ich nur bei dir sein, so dünkt mich oft, könnte ich auch ohne Frieden leben.“
    „Du sollst die Ehre wieder auf meinen Hof bringen“, sagte Erlend, „und ich sollte dich nicht in meine Unehre hinabziehen.“
    Kristin schüttelte den Kopf. Dann sagte sie:
    „Dann wirst du wohl froh werden, wenn du hörst, daß ich mit Simon Andressohn gesprochen habe - und daß er mich nicht an die Abmachungen binden will, die getroffen wurden, ehe ich dir begegnete.“
    Erlend wurde über die Maßen froh, und Kristin mußte alles erzählen. Doch verschwieg sie die herabsetzenden Worte, die Simon über Erlend gesagt hatte, sie erwähnte nur, daß er vor Lavrans die Schuld nicht auf sich nehmen wolle.
    „Das ist begreiflich“, sagte Erlend kurz. „Sie halten wohl viel voneinander, dein Vater und er? Ja, mich wird er wohl nicht so gut leiden können - Lavrans.“
    Kristin nahm diese Worte als ein Zeichen dafür, daß Erlend doch erfaßte, welch ein hartes Stück Weg sie noch vor sich habe, ehe sie ihr Ziel erreicht hätten, und sie war dankbar dafür. Aber er kam nicht wieder darauf zurück, er war voller Freude und sagte, er habe Angst gehabt, sie könne nicht den Mut finden, mit Simon zu

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