Kristin Lavranstochter 1
verheiratet, und deine Mutter - mit ihrem Gemüt - konnte ihm das Leben dort kaum leichter machen. Wohl ist es so, daß er viele Freunde hat - aber glaubst du, er habe einen , der ihm gleichkäme? Seine Söhne hat er nicht behalten dürfen; ihr Töchter wart es, die das Geschlecht nach ihm neu hätten aufbauen sollen - muß er nun den Tag erleben, an dem er sieht, daß die eine ohne Gesundheit und die andere ohne Ehre ist?“
Kristin preßte die Hände aufs Herz - es dünkte sie, sie müsse es umklammern, um sich so hart zu machen, wie sie sein mußte.
„Warum sagst du das?“ flüsterte sie nach einer Weile. „Du würdest mich doch niemals mehr dein eigen nennen wollen ...“
„Das - wollte ich wohl - nicht“, sagte Simon unsicher. „Gott steh mir bei, Kristin - ich sehe dich noch an jenem Abend an der Bahre auf Finsbrekken. - Aber der Teufel mag mich bei lebendigem Leibe holen, wenn ich je wieder einem Mädchen um seiner Augen willen traue! - Versprich mir, daß du Erlend nicht mehr triffst, ehe der Vater kommt“, sagte er, als sie am Tor standen.
„Das will ich nicht versprechen“, antwortete Kristin.
„Dann muß er es mir versprechen“, sagte Simon.
„Ich werde ihn nicht treffen“, antwortete Kristin rasch.
„Den kleinen Hund, den ich dir einmal sandte“, sagte Simon, che sie sich trennten, „den kannst du deinen Schwestern geben
- sie haben ihn so gerne -, wenn es dir nicht zu sehr widerstrebt, ihn im Hause zu sehen. - Ich reite morgen früh beizeiten nordwärts“, sagte er, und dann gab er ihr zum Abschied die Hand, während die Pförtnerschwester ihnen zusah.
Simon Darre ging zur Stadt zurück. Er ging dahin und schlug mit der geballten Faust in die Luft, redete halblaut und fluchte in den Nebel hinein. Er schwor sich selbst, daß er nicht ihr nachtrauere. Kristin, das war etwas gewesen, von dem er geglaubt hatte, es sei das schiere Gold - als er es aber in der Nähe sah, da war es nur Messing und Zinn. Weiß wie eine Schneeflocke hatte sie dort gekniet und ihre Hand in die Flamme gehalten - das war im vergangenen Jahr gewesen; in diesem Jahr trank sie Wein mit einem verbannten Wüstling im Dachraum des Flugahofes - zum Teufel, nein! Das war etwas für Lavrans Björgulvssohn, der da oben auf Jörundhof saß und glaubte ... Niemals wäre es wohl Lavrans in den Sinn gekommen, daß man ihn so betrügen könnte. Nun sollte er, Simon, selbst die Nachricht überbringen und mithelfen, für einen anderen zu lügen, das war es, weshalb sein Herz vor Sorgen und Kummer brannte.
Kristin hatte nicht daran gedacht, ihr Simon Darre gegebenes Versprechen zu halten, aber sie konnte mit Erlend nur ein paar Worte wechseln - eines Abends oben am Wege.
Sie stand da und hielt seine Hand, merkwürdig unterwürfig, während er von dem sprach, was sich kürzlich in Brynhilds Haus zugetragen hatte. Mit Simon Andressohn wollte er ein anderes Mal sprechen. „Hätten wir da oben gekämpft, dann wäre es in der ganzen Stadt bekannt geworden“, sagte Erlend heftig. „Das wußte auch er ganz genau, dieser Simon.“
Kristin fühlte, wie dieses Ereignis ihn getroffen hatte. Auch sie hatte seitdem unaufhörlich daran gedacht - sie konnte nicht davon loskommen: in diesem Abenteuer stand Erlend mit noch weniger Ehren da als sie selber. Und sie fühlte, nun waren sie wahrlich ein Fleisch und Blut - sie mußte alles, was er tat, mitverantworten, selbst wenn sie sein Handeln nicht billigte, und mußte es an sich selbst verspüren, wenn Erlend seine Haut zu Markte trug.
Drei Wochen später kam Lavrans Björgulvssohn nach Oslo und holte seine Tochter ab.
Kristin hatte Angst, und sie war herzenswund, als sie in die Sprechstube ging, um mit ihrem Vater zusammenzutreffen. Als erstes fiel ihr auf, als sie ihn im Gespräch mit Schwester Potentia stehen sah, daß er nicht so aussah, wie sie sich seiner erinnert hatte. Vielleicht hatte er sich nicht verändert, seitdem sie sich vor einem Jahr getrennt hatten, aber sie hatte ihn all die Jahre hindurch als den jungen gewandten und schönen Mann gesehen, um dessentwillen sie als Kind solchen Stolz empfunden hatte, daß er ihr Vater war. Jeder Winter und jeder Sommer, die da oben in der Heimat über ihn hingegangen waren, hatten ihn wohl gezeichnet und älter gemacht, während sie von den Jahren zum erwachsenen jungen Weib entfaltet worden war -aber sie hatte es nicht gesehen. Sie hatte nicht gesehen, daß sein Haar an manchen Stellen gebleicht war und an den Schläfen einen
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