Kristin Lavranstochter 1
„Du hast früher immer gesagt, daß du mich nie zur Ehe zwingen würdest.“
„Es wäre wohl nicht Zwang, wenn ich forderte, du solltest bei einer Verabredung bleiben, die die ganze Zeit allen Menschen bekannt gewesen ist“, antwortete Lavrans. „Zwei Winter lang hat man euch Verlobte genannt, und du hast nichts dagegen geäußert und hast keinen Widerwillen dagegen gezeigt, bis jetzt der Hochzeitstag festgesetzt worden war. Willst du darauf sündigen, daß die Sache im vorigen Jahr verschoben wurde und du deswegen Simon deine Treue nicht in die Hand versprochen hast, dann nenne ich das kein ehrliches Verhalten.“ Kristin stand da und blickte ins Feuer.
„Ich weiß nicht, was schlimmer ist“, fuhr der Vater fort, „ob es nun heißen soll, daß du Simon von dir gestoßen hast oder daß du verschmäht worden bist. Herr Andres sandte mir die Botschaft“, Lavrans wurde rot, als er das sagte, „er zürne dem Sohne und bitte mich, als Buße so viel zu verlangen, wie ich für angemessen fände. Ich mußte der Wahrheit die Ehre geben und antworten - ich weiß nicht, ob das andere besser gewesen wäre -, wenn von Buße die Rede wäre, so seien wir die nächsten dazu. Schande bringt uns beides.“
„Ich kann nicht verstehen, daß es eine so große Schande sein soll“, sagte Kristin leise. „Da Simon und ich einig sind.“
„Einig“, nahm Lavrans das Wort auf. „Er machte kein Hehl daraus, daß er mißvergnügt war, aber er sagte, nach dem, was ihr miteinander gesprochen hättet, glaube er nicht, daß etwas anderes als Unglück dabei herauskäme, wenn er fordere, daß du die Verabredung halten solltest. Aber nun mußt du mir sagen, wie das über dich gekommen ist.“
„Hat Simon nichts darüber gesagt?“ fragte Kristin.
„Er schien zu meinen“, sagte der Vater, „daß du deine Gedanken einem anderen zugewandt habest. Du mußt mir nun sagen, wie sich das verhält, Kristin.“
Kristin dachte ein wenig nach.
„Gott weiß“, sagte sie leise, „ich sehe wohl ein, Simon könnte gut genug für mich sein und mehr als das. Aber es ist wahr, ich wurde mit einem anderen Mann bekannt, und da verstand ich, daß ich nie mehr im Leben eine frohe Stunde haben würde, müßte ich mit Simon leben. Nein, und wenn er alles Gold von England sein eigen nennen würde, ich würde lieber den anderen haben, auch wenn er nicht mehr als eine einzige Kuh besäße.“ „Du erwartest wohl nicht, daß ich dich einem niederen Manne gebe“, sagte der Vater.
„Er ist meinesgleichen und mehr als das“, antwortete Kristin. „Ich meinte nur - er hat wohl genug an Gütern und Land, aber ich will lieber mit ihm auf dem blanken Stroh schlafen als mit irgendeinem anderen Mann in einem seidenen Bett.“
Der Vater schwieg einige Zeit.
„Ein Ding ist es, Kristin, daß ich dich nicht dazu zwingen will, einen Mann zu nehmen, der dir widerstrebt - obwohl Gott und der heilige Olav wissen mögen, was du gegen den Mann haben kannst, dem ich dich anverlobt habe. Aber ein anderes Ding ist es, ob der, dem du dein Herz zugewandt hast, so ist, daß ich dich mit ihm vermählen kann. Jung bist du und wenig verständig - und seine Augen auf eine Jungfrau zu werfen, die verlobt ist, das pflegt ein rechtschaffener Mann nicht zu tun.“ „Darin hat sich kein Mensch in der Gewalt“, sagte Kristin heftig.
„O ja, doch. Aber soviel wirst du wohl verstehen, ich will die Leute auf Dyfrin nicht so kränken, daß ich dich sofort wieder verlobe, sowie du Simon den Rücken gedreht hast - und am allerwenigsten einem Mann, der für angesehener oder reicher gehalten werden könnte. - Du mußt mir nun sagen, wer dieser Mann ist“, fügte er nach einiger Zeit hinzu.
Kristin preßte die Hände zusammen und atmete schwer. Dann sagte sie sehr langsam:
„Ich kann es nicht, Vater. Es ist so: bekomme ich diesen nicht, dann kannst du mich ins Kloster bringen, und ich verlasse es nie wieder - ich glaube nicht, daß ich dann lange leben werde. Es würde sich jedoch nicht schicken, seinen Namen zu nennen, ehe ich weiß, ob er so guten Willens zu mir ist, wie ich zu ihm. Du - du darfst mich nicht zwingen, zu sagen, wer er ist, ehe - ehe es sich zeigt, ob - ob er mit seinen Verwandten bei dir zu werben gedenkt.“
Lavrans schwieg lange. Er konnte nicht anders als gutheißen, daß es seine Tochter in dieser Weise nahm; so sagte er schließlich: „Laß es also sein. Es ist verständlich, daß du am liebsten seinen Namen verschweigen willst, wenn du nicht weißt,
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