Kristin Lavranstochter 1
sprechen.
„Du magst ihn in einer Weise gern, das kann ich sehen“, sagte er.
„Kann es dir“, fragte Kristin, „nach allem, was zwischen mir und dir gewesen ist, etwas anhaben, wenn ich anerkenne, daß Simon rechtschaffen und auch tüchtig ist?“
„Wärst du mir nie begegnet“, sagte Erlend, „dann hättest du gute Tage mit ihm haben können, Kristin. Warum lachtest du?“ „Ach, ich muß an etwas denken, was Frau Aashild einmal sagte“, antwortete Kristin. „Ich war damals noch ein Kind -aber es war die Rede davon, daß die guten Tage den verständigen Leuten zufielen, die besten Tage aber jenen, die unklug zu sein wagten.“
„Gott segne Muhme Aashild, daß sie dich solche Dinge lehrte“, sagte Erlend und hob sie auf den Schoß. „Es ist seltsam, Kristin. Nie habe ich bemerkt, daß du ängstlich warst.“ „Hast du das nie bemerkt?“ fragte sie Erlend, dicht an ihn gedrängt.
Er setzte sie auf den Bettbalken und nahm ihr die Schuhe ab, dann aber zog er sie wieder zum Tisch zurück.
„Ach nein, Kristin - jetzt sieht es doch wieder hell für uns beide aus. Ich hätte wohl nicht so gegen dich gehandelt, wie ich getan habe“, sagte er und strich ihr über das Haar, „hätte es mir nicht, sooft ich dich sah, gleich unwahrscheinlich geschienen, daß sie mir ein so feines und schönes Weib geben wollten. - Setz dich her und trink mit mir“, bat er.
Gleich darauf klopfte es an die Tür - es hörte sich so an, als schlüge einer mit dem Schwertknauf dagegen.
„Schließt auf, Erlend Nikulaussohn, so Ihr darinnen seid!“
„Das ist Simon Darre“, sagte Kristin leise.
„Schließt auf, Mann, in des Teufels Namen - so Ihr ein Mann seid!“ rief Simon und schlug wieder gegen die Tür.
Erlend ging zum Bett und nahm sein Schwert vom Nagel. Er blickte sich ratlos um.
„Hier gibt es keinen Platz, wo du dich verstecken könntest -außer im Bett...“
„Das würde es kaum besser machen“, sagte Kristin. Sie war aufgestanden und sprach sehr ruhig, aber Erlend sah, daß sie zitterte. „Du mußt aufschließen“, sagte sie wie zuvor.
Simon hämmerte wieder an die Tür.
Erlend ging hin und zog den Riegel zurück. Simon trat ein, er hielt ein gezogenes Schwert in der Hand, stieß es aber sofort wieder in die Scheide zurück.
Eine Zeitlang standen die drei da und sagten nichts. Kristin bebte, aber dennoch fühlte sie in diesem ersten Augenblick eine seltsam süße Spannung - tief drinnen in ihr wurde etwas lebendig und witterte dem Kampf zweier Männer entgegen. Und sie atmete tief aus: das hier war der Schluß eines schweigenden Wartens und der Sehnsucht und der Angst endloser Monate. Sie sah von einem zum anderen, bleich und glänzenden Auges -da brach ihre Spannung in einer unfaßlich erschauernden Verzweiflung zusammen.
In Simon Darres Augen lag mehr kalte Geringachtung als Groll oder Eifersucht, und sie sah es Erlend hinter seiner trotzigen Miene an, daß er vor Scham brannte. Es dämmerte ihr, wie andere Männer urteilen würden über ihn, der sie an einen solchen Ort zu sich hatte kommen lassen, und sie begriff: dies war, als hätte er sich ins Gesicht schlagen lassen müssen; sie fühlte, daß er darauf brannte, das Schwert zu ziehen und über Simon herzufallen.
„Weshalb bist du hierhergekommen, Simon?“ rief sie laut und angstvoll.
Beide Männer wandten sich ihr zu.
„Um dich heimzuholen“, sagte Simon. „Hier kannst du nicht bleiben.“
„Ihr habt nicht mehr über Kristin Lavranstochter zu gebieten“, sagte Erlend heftig, „sie ist nun mein.“
„Das ist sie wohl“, sagte Simon rasch, „und in ein schönes
Brautgemach hast du sie gebracht.“ Er stand einige Zeit da und atmete schwer; dann gewann er Macht über seine Stimme und sprach ruhig: „Aber es verhält sich nun so, daß ich noch ihr Verlobter bin - bis ihr Vater sie holen kann. Und so lange gedenke ich mit Speer und Schwert zu verteidigen, was von ihrer Ehre noch zu retten ist - in den Augen der Leute.“
„Das brauchst du nicht; ich kann selbst...“ Erlend wurde wieder rot wie Blut unter Simons Blicken. „Glaubst du, ich ließe mir von so einem Knaben, wie du bist, drohen“, brauste er auf und legte die Hand auf den Schwertknauf.
Simon verschlang seine Hände auf dem Rücken.
„Ich bin nicht so ängstlicher Art, daß ich fürchten müßte, du könntest glauben, ich fürchte mich“, sagte er wie zuvor. „Ich werde mit dir kämpfen, Erlend Nikulaussohn, zum Teufel, darauf kannst du dich verlassen,
Weitere Kostenlose Bücher