Kristin Lavranstochter 2
auch Frost, ehe ich in deine Hände kam. Ich sagte es ja schon, mich kannst du nicht heilen. Sei jetzt nur nicht so traurig darüber, Kristin.“
„Du hättest nicht den ganzen langen Weg machen sollen“, sagte sie schwach.
„Kein Mensch lebt länger, als ihm beschieden ist“, antwortete Simon wie zuvor. „Ich wollte nach Hause. Es gibt doch dies und jenes zu besprechen - wie alles nach mir geordnet werden soll.“ Er lachte ein wenig. „Alle Feuer brennen nach und nach aus.“
Kristin sah ihn mit tränennassen Augen an. Stets hätte er so viele Sprichwörter gebraucht. Sie blickte auf sein rotgeflecktes Gesicht hinab. Die vollen Wangen, die Falten unter dem
Kinn waren gleichsam eingesunken, bildeten tiefe Furchen. Die Augen schienen matt und blinzelnd - dann wieder war es, als kämen Klarheit und Bewußtsein in sie: er sah sie an mit jenem festen, forschenden Blick, den die kleinen stahlgrauen scharfen Augen fast immer gehabt hatten.
Als es in der Stube taghell wurde, sah Kristin, daß Simon rings um die Nase mager geworden war, ein weißer Streifen zog sich auf jeder Seite bis zum Mundwinkel hinunter.
Sie trat an das kleine Fenster, stand dort und unterdrückte ein Schluchzen. Es glitzerte und leuchtete goldengrün in dem dicken Reif, der die Scheibe bedeckte. Draußen war der Wintertag wohl ebenso schön, wie die Tage der ganzen Woche gewesen waren . ..
Dies war das Todeszeichen, das wußte sie.
Sie kam zurück, schob ihre Hand unter die Decke - seine Knöchel waren bis zu den Waden hinauf geschwollen.
„Willst du - willst du, daß wir jetzt nach Sira Eirik senden lassen?“ fragte sie leise.
„Ja, heute abend“, antwortete Simon.
Er mußte davon sprechen, ehe er beichtete und das Abendmahl empfing. Nachher mußte er versuchen, seinen Gedanken eine andere Richtung zu geben.
„Seltsam ist es, daß wahrscheinlich du es sein wirst, die sich meiner Leiche annehmen wird“, sagte Simon. „Und ich fürchte, daß ich keine schöne Leiche sein werde.“
Kristin drängte gewaltsam ein Aufschluchzen zurück. Sie ging von ihm weg und bereitete wieder einen Schlaftrunk. Aber Simon sagte:
„Ich mag deine Mittel nicht trinken, die Gedanken werden so unklar davon!“ Dann bat er, sie möchte ihm doch ein wenig geben. „Aber tu nicht zuviel von jenem Mittel hinein, das betäubt. Ich muß mit dir über etwas sprechen.“
Er trank, lag da und wartete, bis die Schmerzen so weit nachgelassen hätten, daß er klar und ruhig mit ihr sprechen könnte.
„Willst du nicht, daß wir Sira Eirik für dich holen lassen -damit er Worte zu dir sprechen kann, die dir Linderung bringen?“
„Doch, bald. Aber etwas muß ich dir noch sagen.“
Eine Weile lag er da. Dann begann er:
„Sage Erlend Nikulaussohn, daß ich die Worte, die ich ihm gab, als wir uns trennten, seither jeden Tag bereut habe. Unmännlich und kleinlich betrug ich mich gegen meinen Schwager in jener Nacht. Grüße ihn und sage - ich bitte ihn, er möchte mir dies verzeihen.“
Kristin saß mit geneigtem Kopf da. Simon sah, daß sie bis unter das Kopftuch blutrot geworden war.
„Willst du deinem Mann diese Botschaft überbringen?“
Sie nickte ein wenig. Dann sagte Simon wiederum:
„Sollte Erlend nicht zu meinem Begräbnis kommen, so mußt du ihn aufsuchen, Kristin, und ihm dies sagen.“
Stumm und dunkelrot im Gesicht, saß Kristin da.
„Du wirst es nicht abschlagen, mir den Dienst zu erweisen, um den ich dich bitte, jetzt, da ich sterben soll?“ fragte Simon Andressohn.
„Nein“, flüsterte die Frau. „Ich werde - es tun ..."
„Für deine Söhne ist es schlimm, Kristin, daß zwischen ihrem Vater und ihrer Mutter Feindschaft herrscht“, begann Simon wiederum. „Ich frage mich, ob du gesehen hast, wie sehr sie dies quält. Schwer ist es für die flinken Burschen, zu wissen, daß man im Tal über ihre Eltern spricht.“
Kristin antwortete hart und leise:
„Erlend ging von unseren Söhnen weg - nicht ich. Zuerst verloren meine Söhne den Rückhalt in jenen Gemeinden, in denen sie geboren waren und ihre Sippe und ihr Erbe hatten. Wenn sie nun dulden müssen, daß das Gerede über ihr Heim hier im Tale geht, aus dem ich stamme, so habe nicht ich es verursacht.“
Schweigend lag Simon eine Weile da. Dann sagte er:
„Ich vergesse es nicht, Kristin, du hast Grund, über vieles und vielerlei zu klagen - übel hat Erlend für die Seinen gesorgt. Doch du mußt bedenken: wäre dieser sein Plan geglückt, so wären seine Söhne
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