Kristin Lavranstochter 2
ihren Sohn tat - hättest du ihn von dir weggeben können an jene Menschen, die ihn besser zu schützen vermochten?“
Kristin schüttelte den Kopf.
„Aber seinen Vater bitten, das zu vergessen, was du im Zorn zu ihm gesagt haben magst - glaubst du nicht, daß du das um seinetwillen und um sechs anderer schöner Söhne willen über dich bringen wirst? Vermagst du nicht, deinem Mann zu sagen, wie not es den jungen Burschen tut, daß er zu ihnen und zu seinem Hofe heimkehrt?“
„Ich werde so tun, wie du willst, Simon“, erwiderte Kristin leise. „Mit harten Worten hast du mir dies gesagt“, fügte sie nach einer Weile hinzu, „schon früher hast du mich strenger zurechtgewiesen als irgendein anderer weltlicher Mann ..."
„Ja, aber ich kann dir versichern, daß es jetzt das letztemal war“, seine Stimme bekam den neckenden, munteren Klang von früher. „Nein, weine doch nicht so, Kristin - aber vergiß nicht, meine Schwester, was du einem sterbenden Mann versprochen hast.“ Noch einmal kam das alte übermütige Blitzen in seine Augen. „Du weißt, Kristin, ich mußte schon einmal lernen, daß man sich nicht immer auf dich verlassen kann! -Sei still, Liebste“, bat er bald darauf, nachdem er dagelegen und ihr stoßweises, schmerzliches Weinen angehört hatte. „Ich werde nicht vergessen, daß du uns eine gute und treue Schwester warst, glaube mir. Schließlich wurden wir trotz allem Freunde, meine Kristin ...“
Gegen Abend bat er, man möge ihm den Priester holen. Sira Eirik kam, nahm ihm die Beichte ab, reichte ihm die Letzte Ölung und gab ihm die Wegzehrung.
Simon nahm Abschied von seinem Gesinde und den Erlendssöhnen, von den fünfen, die daheim waren - Naakkve war von Kristin nach Kruke gesandt worden; Simon hatte darum gebeten, Kristins Kinder sehen und von ihnen Abschied nehmen zu dürfen.
Kristin wachte auch diese Nacht bei dem Sterbenden. Gegen Morgen schlief sie für einen Augenblick ein. Sie erwachte von einem seltsamen Laut: Simon lag da und wimmerte leise vor sich hin. Es erschütterte sie gewaltsam - ihn klagen zu hören, still und schmerzlich, wie ein krankes verlassenes Kind, jetzt, da er wohl glaubte, daß niemand es hören würde. Sie beugte sich zu ihm hinab und küßte sein Angesicht viele Male. Dabei merkte sie, daß sein Atem und sein Körper schon erstickend und wie tot rochen. Als der Tag jedoch hell wurde, sah sie, daß sein Blick noch immer lebendig und klar und fest war.
Sie merkte, daß er entsetzliche Schmerzen litt, als Jon und Sigurd ihn in einem Laken hochhoben, während sie sein Bett aufschüttelte und die Kissen so weich und gut wie nur möglich zurechtlegte. Nahrung hatte er jetzt schon seit einem ganzen Tag nicht mehr zu sich nehmen wollen, aber es dürstete ihn sehr.
Als Kristin ihn zurechtgelegt hatte, bat er sie, das Zeichen des
Kreuzes über ihm zu machen. „Jetzt kann ich auch den linken Arm nicht mehr bewegen.“
Aber wenn wir uns selbst oder etwas, was wir mit dem Kreuz schützen wollen, mit dem Kreuzzeichen segnen, dann sollen wir daran denken, warum das Kreuz geheiligt wurde und was es bedeutet, und sollen uns daran erinnern, daß dieses Zeichen durch die Qualen und den Tod des Herrn Ehre und Kraft erhalten hat...
Simon entsann sich, daß er dies einmal hatte vorlesen hören. Er hatte wohl selten viel dabei gedacht, wenn er das Kreuz über seiner Brust machte oder sein Haus und seinen Besitz mit dem Zeichen des Kreuzes segnete. - Er fühlte sich unfertig und schlecht ausgerüstet, um von dieser Erde aufzubrechen -und mußte sich damit trösten, daß er sich, so gut Zeit dazu war, vorbereitet hatte, mit der Beichte und mit der letzten Wegzehrung. Ramborg - aber sie war so jung, vielleicht würde sie viel froher mit einem anderen Mann. Seine Kinder, Gott mochte sie in seinen Schutz nehmen - und Gyrd würde für sie sorgen, getreu und verständig. Und so mußte er sich denn auf Gott verlassen, der einen Mann nicht nach dessen Wert beurteilt, sondern aus seiner Gnade heraus.
Im Lauf des Tages kamen Sigrid Andrestochter und Geirmund von Kruke. Simon wollte, daß Kristin jetzt hinausgehe, um auszuruhen, sie habe jetzt allzulange gewacht und ihn gepflegt. „Und es ist jetzt bald qualvoll, in meiner Nähe zu sein“, sagte er und lächelte ein wenig. Da brach sie für einen Augenblick in lautes Schluchzen aus - dann beugte sie sich hinab und küßte wiederum den elenden Leib, der bereits angefangen hatte, sich aufzulösen.
Simon lag still da. Das Fieber
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