Kristin Lavranstochter 2
jetzt wohlgeborgen, und er selbst stünde unter den mächtigsten Rittern in diesem Reich. Königsverräter heißt der Mann, dem sein Plan mißglückt - gelingt es ihm jedoch, ihn durchzuführen, so spricht das Volk ganz anders von ihm. Halb Norwegen dachte damals wie Erlend: daß uns nur schlecht gedient sei, zusammen mit den Schweden einen König zu haben, und daß in Knut Porses Sohn vermutlich ganz anderes Zeug stecke als in diesem Muttersöhnchen - hätten wir Junker Haakon in seinem zarten Alter zu uns bringen können. Viele standen damals hinter Erlend und zogen mit ihm am selben
Tau - sie ließen los und krochen ins Versteck, als die Sache aufkam; so handelten meine eigenen Brüder und manch einer, der jetzt ein guter Ritter und ein Mann von Waffen heißt. Erlend allein mußte stürzen. Und jenes Mal, Kristin, bewies dein Gemahl, daß er ein tüchtiger und mutiger Mann war -gleichgültig, wie er sich vorher und nachher gezeigt haben mag..."
Kristin saß still und bebend da.
„Ich meine, Kristin, wenn dies der Grund ist, weshalb du deinem Mann bittere Worte gegeben hast, so mußt du sie wieder zurücknehmen. Das solltest du doch wohl können, Kristin; früher einmal hieltest du so fest an Erlend - du duldetest nicht, ein wahres Wort über sein Betragen gegen dich zu hören, damals, als er so handelte, wie ich es nie für möglich gehalten hätte bei einem ehrenhaften Mann, um nicht zu sagen bei einem hochgeborenen Herrn und wohlerzogenen Höfling - erinnerst du dich, wie ich euch in Oslo ertappte? Das konntest du Erlend verzeihen, damals schon und auch später ..."
Kristin antwortete leise:
„Ich hatte ja mein Los mit dem seinen zusammengetan -was hätte aus mir werden sollen, hätte ich meine Sache von der Erlends geschieden?“
„Sieh mich an, Kristin“, sagte Simon Darre, „und sage mir die Wahrheit. Hätte ich deinen Vater bei dem gegebenen Wort festgehalten, hätte ich gewählt, dich so zu nehmen, wie du warst, dir versichert, daß du von mir nie an deine Schande erinnert werden solltest, daß ich dich aber nicht freigeben wolle - was hättest du getan?“
„Ich weiß nicht.“
Simon lachte hart.
„Hätte ich es mir durch Drohungen erzwungen, Hochzeit mit dir zu feiern - freiwillig hättest du mich wohl kaum in deine Arme genommen, Kristin, meine Holde ...“
Jetzt war sie weiß geworden im Gesicht, sie saß da, blickte zu Boden und gab keine Antwort.
Er lachte wie zuvor.
„Ich glaube nicht, daß du mich freundlich umfangen hättest, wäre ich zu dir ins Brautbett gestiegen .. .“
„Ich denke, ich hätte einen Dolch mit ins Bett genommen“, flüsterte sie halb erstickt.
„Ich höre, daß du die Weise von Knut auf Borg kennst“,
Simon lächelte barsch. „Daß solches wirklich vorgekommen ist, habe ich nie vernommen. Aber Gott mag wissen, ob nicht du es getan hättest, du!“
Bald darauf sagte er wiederum:
„Es ist doch zwischen christlichen Menschen unerhört, daß verheiratete Leute ihr Zusammenleben nach eigenem Gutdünken aufheben, so wie ihr es getan habt - ohne gesetzlichen Grund und ohne das Einverständnis des Bischofs. Schämt ihr euch nicht - alles habt ihr niedergetreten und allen habt ihr getrotzt, um zusammenzukommen. Damals, als Erlend in Lebensgefahr schwebte, dachtest du an nichts anderes als an seine Rettung, und er dachte viel mehr an dich als an seine sieben Söhne und an seinen Namen und an seine Güter. Kaum aber könnt ihr einander in sicherer Ruhe besitzen, so vermögt ihr nicht, Anstand und Frieden zu wahren - Unfrieden und Unzufriedenheit herrschten zwischen euch, auch auf Husaby, das sah ich doch selbst, Kristin ... Ich sage dir, um deiner Kinder willen mußt du versuchen, dich mit deinem Gemahl auszusöhnen. Wenn du das geringere Unrecht hast, so ist es wohl auch leichter für dich, Erlend deine Hand zu bieten“, fügte Simon milder hinzu. „Es ist leichter für dich als für Erlend Nikulaussohn, der doch dort oben auf Haugen in Armut lebt“, sagte er wiederum.
„Es ist nicht leicht für mich“, flüsterte sie. „Ich dächte doch, ich hätte dir gezeigt, daß ich für meine Kinder ein wenig zu tun vermag. Ich habe für sie gekämpft und gekämpft...“
„So ist es“, sagte Simon. Dann fragte er: „Entsinnst du dich jenes Tages, da wir einander auf dem Weg bei Nidaros begegneten? Du saßest im Gras und gabst Naakkve die Brust.“
Kristin nickte.
„Hättest du um des Kindes an deiner Brust willen das tun können, was meine Schwester für
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