Kristin Lavranstochter 2
und die Schmerzen waren jetzt nicht mehr so stark wie bisher. Er lag da und dachte, recht lange könne es jetzt wohl nicht mehr währen, bis er erlöst sei.
Er wunderte sich selbst darüber, daß er so mit Kristin gesprochen hatte. Das war es eigentlich nicht, was er ihr hatte sagen wollen. Aber er hatte nicht anders sprechen können. Er war fast ärgerlich darüber.
Jetzt aber mußte ja der kalte Brand bald bis ans Herz hinanreichen. Das Herz des Mannes ist das erste, was im Mutterleib zum Leben erwacht, und das letzte, was im Manne zur Ruhe kommt. Jetzt mußte es wohl bald ruhig in ihm werden ...
Am Abend lag er im Fieberwahn da. Ein paarmal jammerte er laut, so daß es entsetzlich anzuhören war. Dann aber wieder lag er da und lachte leise und nannte seinen eigenen Namen, so glaubte Kristin - Sigrid aber, die über ihn gebeugt saß, flüsterte ihr zu, daß er wohl von einem Knaben spreche, ihrem Vetter, mit dem er als Kind so gut befreundet gewesen sei. Gegen Mitternacht wurde er ruhig und schien zu schlafen. Da gelang es Sigrid, Kristin zu überreden, sich auf dem anderen Bett in der Stube ein wenig hinzulegen.
Sie erwachte von der Unruhe im Raum; es war kurz vor Tagesgrauen, und sie hörte, daß der Todeskampf begonnen hatte. Simon hatte die Sprache verloren, aber er erkannte Kristin immer noch, das konnte sie an seinen Augen sehen. Dann war es, als zerbreche ein Stahl in ihnen - sie verdrehten sich nach oben und verschwanden unter den Lidern. Aber immer noch lag er da und röchelte und stöhnte. Der Priester war gekommen und las die Gebete für Sterbende; am Bett saßen die beiden Frauen, und in der Stube war das ganze Gesinde versammelt. Endlich, eine Stunde vor Mittag, gab er seinen Geist auf.
Am Tag darauf ritt Gyrd Darre auf den Hofplatz von Formo ein. Auf dem Weg hierher hatte er ein Pferd zu Tode gehetzt. Schon unten auf Breidin hatte er den Tod des Bruders erfahren, so daß er zunächst ziemlich gefaßt war. Als sich ihm aber die Schwester weinend an den Hals warf, zog er sie an sich und mußte dann selbst wie ein Kind weinen.
Ramborg Lavranstochter liege auf Dyfrin mit einem neugeborenen Sohn, erzählte er. Gleich nach Gaute Erlendssohns Eintreffen habe sie laut aufgeschrien, sie wisse, daß dies Simons Tod sei. Dann brach sie in Krämpfen auf dem Boden zusammen. Das Kind sei sechs Wochen vor der Zeit gekommen, aber man hoffe doch, daß es am Leben bleiben werde.
Man bereitete Simon Andressohn ein schönes Begräbnis und einen schönen Leichenschmaus, und er wurde gleich beim Chor neben der Olavskirche beerdigt. Die Leute im Tal waren sehr zufrieden damit, daß er seine Ruhestätte hier gewählt hatte. Die alte Formo-Sippe, die auf der männlichen Seite mit Simon Saemundssohn ausstarb, war mächtig und angesehen gewesen. Astrid Simonstochter hatte eine reiche Heirat gemacht, ihre Söhne trugen Ritternamen und saßen im Rat des Königs, aber sie sahen sich nur selten nach dem mütterlichen Erbbesitz daheim um. Als Astrids Enkel seinen Wohnsitz auf Formo aufschlug, schien es den Leuten fast, als sei das alte Geschlecht wiedererrichtet worden; sie vergaßen ganz, Simon Andressohn als einen Eingewanderten zu betrachten, und sie waren sehr traurig darüber, daß er so jung sterben mußte, denn er wurde nur zweiundvierzig Winter alt.
5
Woche auf Woche verging, und Kristin bereitete sich in ihrem Herzen darauf vor, Erlend die Botschaft des Toten zu überbringen. Gewiß wollte sie es tun - aber es dünkte sie sehr schwer. Unterdessen gab es daheim auf dem Hof so vieles zu erledigen. Täglich lag sie mit sich selbst im Kampf, ob sie es noch hinausschieben könne ...
Um die Zeit des Weißen Sonntags kam Ramborg Lavranstochter nach Formo. Die Kinder hatte sie auf Dyfrin zurückgelassen. Es gehe ihnen gut, antwortete sie, als Kristin nach ihnen fragte. Die beiden Mädchen hätten bitter geweint und über den Tod ihres Vaters tief getrauert. Andres sei zu jung, etwas zu begreifen. Der Jüngste, Simon Simonssohn, gedeihe gut, und sie hofften, daß er noch groß und stark werden würde.
Ramborg ging ein paarmal zur Kirche und zum Grabe ihres Mannes. Im übrigen bewegte sie sich nicht von ihrem Hof fort. Aber Kristin kam, sooft sie konnte, zu ihr. Sie wünschte jetzt innig, daß sie ihre junge Schwester besser gekannt hätte. Die Witwe sah so kindlich aus in ihren Trauerkleidern - zart und unerwachsen wirkte ihr Körper in dem schweren dunkelblauen Trauergewand; das kleine dreieckige Gesicht war gelb und
Weitere Kostenlose Bücher