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Kristin Lavranstochter 2

Titel: Kristin Lavranstochter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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bellen.
    Kristin nahm ihrem Pferd den Sattel ab und führte es zum Wassertrog.' Sie wollte es hier oben nicht frei laufen lassen, so zog sie es denn zum Stall. Die Sonne leuchtete durch ein großes Loch im Dach herein: der Wasen hing in Schollen zwischen den Dachbalken herab. Nichts ließ erkennen, daß hier ein Pferd ge-standen hatte. Kristin versorgte das Tier und ging dann wieder auf den Hofplatz hinaus. Sie sah in den Kuhstall hinein. Dort war es dunkel und öde - sie erkannte am Geruch, daß er wohl schon seit langer Zeit leer stand.
    An der Wand des Wohnhauses waren einige Felle von erlegten Tieren zum Trocknen ausgespannt-ein Schwarm von blauen Fliegen flog surrend auf, als sie näher trat. An der Nordseite waren Erde und Torf aufgeschichtet, so daß die Wand bis zum Windbrett hinauf ganz verdeckt war. Das hatte Erlend wohl wegen der Kälte getan.
    Sie erwartete, daß die Stube versperrt sei. Als sie jedoch die Klinke niederdrückte, gab die Tür nach. Erlend hatte sein Haus nicht einmal verschlossen.
    Unerträglich dicke Luft schlug ihr entgegen, als sie eintrat -ein bitterer und herber Geruch nach Fellen und Stall. Das erste Gefühl, das über sie hereinbrach, als sie in seiner Stube stand, war blutende Reue und Mitleid. Dieser Wohnraum schien ihr eher einer Höhle zu gleichen.
    Ach ja, ja, ja, Simon - du hattest recht!
    Klein war die Stube, aber einmal war sie hübsch und behaglich gewesen. Der Ofen hatte überdies einen gemauerten Schornstein, des Rauches wegen, so wie die Öfen daheim. Aber als sie das Rauchloch öffnen wollte, um die schlechte Luft ein wenig hinauszulassen, sah sie, daß der Kamin mit ein paar flachen Steinen abgesperrt war. Die Glasscheibe am Fenster auf den Rundgang hinaus war zerbrochen und mit einigen Lappen verstopft. Und der Holzboden, der die ganze Stube bedeckte, war so schmutzig, daß man kaum die Planken sehen konnte. Nicht ein einziges Kissen sah sie auf den Bänken, aber überall hingen und lagen Waffen, Felle und alte Kleider herum; auf dem schmutzigen Tisch erblickte sie einige Speisereste. Und über alldem surrten die Fliegen.
    Sie fuhr zusammen - blieb zitternd stehen, atemlos mit pochendem Herzen. In dem weiter entfernten Bett - in jenem Bett, wo es gelegen hatte, damals, als sie das letztemal hier war - lag jetzt etwas, mit einem Stück Fries bedeckt. Sie wußte selbst nicht, was sie glaubte . ..
    Dann biß sie die Zähne zusammen, zwang sich, hinzusehen und das Tuch aufzuheben. Aber nur Erlends Harnisch, Helm und Schild lagen darunter, auf den blanken Bettbrettern, zugedeckt.
    Kristin blickte zu dem anderen Bett hinüber. Dort hatte man Björn und Aashild gefunden. Jetzt schlief Erlend da ... Heute nacht sollte sie selbst wohl hier schlafen ...
    Aber wie mochte es für Erlend sein, in diesem Haus zu wohnen, hier zu schlafen? Wiederum ertranken alle anderen Gefühle in Mitleid. Sie trat an das Bett - es war wohl seit langer Zeit nicht mehr aufgeschüttelt worden. Das Heu unter dem Laken aus Leder war so zusammengelegen, daß es sich ganz hart anfühlte. Es fand sich nichts anderes im Bett als einige Schaffelle und ein paar mit Fries bezogene Kopfkissen, so schmutzig, daß sie stanken. Staub und Schmutz rieselten herab, als sie die Decken aufhob. Erlends Bett war nicht besser als das Lager eines Pferdehirten in irgendeinem Stall.
    Erlend, der nie genug Pracht rings um sich haben konnte. Erlend, der sich mit einem seidenen Hemd, mit Samt und schönen Pelzen bekleidete, sobald er nur den geringsten Vorwand dazu finden konnte, der sich darüber grämte, daß sie seine Kinder werktags in hausgewebtem Fries gehen ließ, und der es nie hatte leiden können, daß sie sie selbst nährte und mit ihren Mägden die Hausarbeit verrichtete - wie ein Häuslerweib, sagte er.
    Jesus! Aber es war ja seine eigene Schuld ...
    Nein, ich werde kein Wort sagen, ich werde alles zurücknehmen, was ich gesagt habe; Simon, du hattest recht - hier darf er nicht leben, der Vater meiner Söhne. Ich werde ihm meine Hand und meinen Mund bieten und ihn um Verzeihung bitten.
    Es ist nicht leicht, Simon, aber du hattest recht. - Sie entsann sich der scharfen grauen Augen - des Blickes, der fast bis zum Ende gleich stark blieb. In dem elenden Körper, der bereits angefangen hatte sich aufzulösen, leuchtete aus den Augen Simons reiner und klarer Sinn, bis die Seele heimgeholt wurde, wie eine Klinge zurückgezogen ward. Sie wußte, es verhielt sich so, wie Ramborg gesagt hatte. Er hatte in allen diesen

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