Kristin Lavranstochter 2
als ich jetzt bin. Jetzt gelüstet es mich, zu versuchen, wie es ist, mit einem anderen Mann zu leben, der seit Jahr und Tag an mich gedacht hat und schwieg. Ich weiß nur allzugut, wie es ist, mit einem Manne zu leben, der an eine andere denkt und schweigt..."
Kristin stand wie vorher da. Ramborg hielt vor ihr inne, funkelnd.
„Du weißt, daß es wahr ist, was ich gesagt habe!“
Kristin ging zur Stube hinaus, still, gesenkten Hauptes. Während sie im Regen draußen auf dem Hofplatz stand und darauf wartete, daß der Knecht ihr Pferd vorführe, trat Ramborg unter die Tür - sie starrte die ältere Schwester mit schwarzen, haßerfüllten Augen an.
Erst am Tage darauf erinnerte sich Kristin, was sie Simon versprochen hatte für den Fall, daß Ramborg sich wieder verheirate. So ritt sie denn abermals nach Formo, es fiel ihr nicht leicht. Und am schlimmsten war ihr das Bewußtsein, daß sie nichts zu sagen vermochte, was der jungen Schwester Hilfe oder Trost sein könnte. Diese Heirat mit Jammaelt auf Aelin dünkte sie unüberlegt - in der Stimmung, in der Ramborg sich jetzt befand. Aber Kristin begriff, daß es jetzt nutzlos war, wenn sie dagegenredete.
Ramborg war mürrisch und verdrossen und gab der Schwester kaum eine Antwort. Sie wollte durchaus nicht darein willigen, daß die Stieftochter nun nach Jörundhof käme. „Auf deinem Hof ist ja auch nicht alles so in Ordnung, daß es mir ratsam scheinen könnte, ein junges Mädchen dahin zu senden!“ Kristin antwortete sanftmütig, daß Ramborg darin recht haben könne. Aber sie habe Simon versprochen, dieses Anerbieten zu machen.
„Ja, wenn Simon in seinem Fieberwahn nicht begriff, daß er mich kränkte, als er dich um diesen Gefallen bat, so müßtest wenigstens du begreifen, daß du mich kränkst, wenn du davon sprichst“, antwortete Ramborg, und Kristin mußte unverrichteterdinge heimkehren.
Der nächste Morgen versprach gutes Wetter zu bringen. Als aber die Söhne zum Morgenimbiß hereinkamen, erklärte Kristin ihnen, daß sie das Heu ohne sie hereinbringen müßten; sie gedenke eine Reise zu machen und vielleicht einige Tage wegzubleiben.
„Ich will hinauf nach Dovre, um euren Vater aufzusuchen“, sagte sie. „Es ist meine Absicht, ihn zu bitten, daß er die Uneinigkeit zwischen uns vergessen möchte - und ich will ihn fragen, wann er wieder zu uns heimkommt.“
Die Söhne erröteten; sie wagten kaum, aufzublicken, aber Kristin merkte wohl, wie froh sie wurden. Sie zog Munan an sich und beugte ihr Antlitz zu ihm hinab.
„Du erinnerst dich wohl kaum deines Vaters, du kleiner Bursche?“
Der Knabe nickte, stumm, mit blanken Augen. Einer nach dem anderen blickten die übrigen Söhne die Mutter an: sie war so jung im Gesicht und so schön, wie sie sie seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hatten.
Ein wenig später kam sie auf den Hofplatz hinaus, zur Fahrt angekleidet, in ihrem Kirchengewand: in schwarzem, wollenem Kittel, an Hals und Ärmeln mit Blau und Silber ausgenäht, in schwarzem, ärmellosem Umhang mit Kapuze, da es ja Hochsommer war. Naakkve und Gaute hatten Kristins Pferd und ihre eigenen Pferde gesattelt; sie wollten die Mutter begleiten. Kristin widersprach ihnen nicht. Aber sie redete nicht viel mit ihren Söhnen, während sie talaufwärts über die Rostschlucht nach Dovre hinaufritten. Die meiste Zeit war sie schweigsam und nachdenklich, und wenn sie mit den jungen Burschen sprach, so handelte es sich um andere Dinge als um ihr Vorhaben.
Als sie so hoch hinaufgekommen waren, daß sie durch den Wald hindurchsehen und gegen den Himmel die Hausdächer auf Haugen unterscheiden konnten, hieß sie die Knaben umkehren.
„Ihr begreift wohl, daß euer Vater und ich viel zu besprechen haben werden, worüber wir am liebsten nur unter vier Augen reden.“
Die Brüder nickten; sie grüßten die Mutter und wandten die Pferde.
Der Wind vom Gebirge strich kühl und frisch an Kristins heißen Wangen vorbei, als sie auf den letzten Bergabsatz hinaufgelangte. Die Sonne vergoldete die kleinen grauen Balkenhäuser, die lange Schatten auf den Hofplatz warfen. Hier oben begann das Korn eben erst in die Ähren zu schießen - es stand schön auf den kleinen Äckern, glänzte und wogte im Wind. Auf allen Geröllhalden und Felskuppen leuchtete hoher wehender Weiderich rot auf, der in der Blüte stand, und überall dazwischen war das Heu zu Haufen zusammengerecht. Aber auf dem ganzen Hof war kein Leben zu bemerken - nicht einmal ein Hund kam heraus, um zu
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