Kristin Lavranstochter 2
mager in den Leinenbinden unter dem schwarzwollenen Schleier, der in starren Falten vom Kopf bis fast zum Saum des Kleides hinabfiel. Und sie hatte dunkle Ringe unter den großen Augen, aus denen die Pupillen jetzt stets kohlschwarz und groß herausstarrten.
Während der Heuernte fand Kristin einmal eine Woche lang keine Zeit, sich nach ihrer Schwester umzusehen. Von ihrem Gesinde hörte sie, daß Ramborg einen Gast auf Formo beherberge: Jammaelt Halvardssohn. Kristin erinnerte sich, daß Simon von diesem Mann gesprochen hatte; er besaß einen sehr großen Hof nicht weit von Dyfrin, und er und Simon waren von Kindesbeinen an Freunde gewesen.
Einmal regnete es während der Erntezeit - eine Woche lang da ritt Kristin zur Schwester hinunter. Kristin saß gerade da, sprach von dem schlechten Wetter und vom Heu und fragte, wie es hier auf Formo gehe - da sagte Ramborg plötzlich:
„Nun muß Jon hier mit allem fertig werden - ich fahre in ein paar Tagen nach Süden, Kristin.“
„Ja, du sehnst dich wohl nach deinen Kindern, du Ärmste“, meinte Kristin.
Ramborg erhob sich und ging in der Stube auf und ab.
„Du sollst etwas erfahren, was dich wundern wird“, sagte die Jüngere nach einer Weile. „Du und deine Söhne, ihr werdet zum Verspruchsbier nach Dyfrin geladen werden. Ich gab Jammaelt mein Jawort, ehe er von hier wegfuhr, und Gyrd wird mich verheiraten.“
Kristin saß schweigend da. Die Schwester stand vor ihr und blickte sie starr an, schwarzäugig und bleich. Schließlich antwortete die Ältere:
„Ich merke, daß du nicht lange als Simons Witwe leben willst. Ich glaubte, du empfändest so große Trauer um ihn. Aber du verfügst ja selbst über dich ..."
Ramborg gab keine Antwort, da fragte Kristin nach einer Weile:
„Gyrd Darre weiß, daß du dich so rasch wieder verheiraten willst?“
„Ja.“ Ramborg ging wieder auf und ab. „Helga riet mir zu -Jammaelt ist reich.“ Sie lachte. „Und Gyrd ist ein so kluger Mann, er hat wohl längst bemerkt, wie schlecht wir miteinander lebten, Simon und ich.“
„Was sagst du da! - Gewißlich hat niemand bemerkt, daß ihr schlecht miteinander lebtet“, fügte sie nach einer Weile hinzu. „Mir ist nicht bewußt, daß irgendeiner etwas anderes als Freundschaft und gutes Einverständnis bei euch gesehen hat. Simon ließ dir in allem und jedem deinen Willen, gab dir alles, was du dir wünschtest, dachte stets an deine Jugend und trug Sorge dafür, daß du sie genießen konntest und von Arbeit und Mühe verschont wurdest. Seine Kinder liebte er und gab dir jeden Tag zu erkennen, wie dankbar er dir dafür war, daß du ihm diese beiden geboren hattest.“
Ramborg lächelte höhnisch.
Da antwortete Kristin heftig:
„Ja, wenn du wirklich Ursache hast zu glauben, ihr hättet nicht gut miteinander gelebt, so trägt Simon gewiß nicht die Schuld daran!“
„Nein“, sagte Ramborg, „ich werde die Schuld tragen - wenn du es nicht wagst.“
Fassungslos saß Kristin da.
„Ich glaube, du weißt nicht, was du sagst, Schwester“, brachte sie schließlich hervor.
„Doch“, antwortete Ramborg. „Aber ich glaube gern, daß du es nicht weißt. Du hast so wenig an Simon gedacht, und ich glaube gern, daß dies neu für dich ist. Dir war er gut genug, wenn du eine Zuflucht brauchtest, wenn du eines Helfers bedurftest, der um deinetwillen mit Freuden glühende Eisen trug - nie hattest du so viele Gedanken für Simon Andressohn übrig, daß du einmal gefragt hättest, was ihn dies koste. Ich durfte meine Jugend genießen, ja - froh und freundlich hob mich Simon in den Sattel und sandte mich zu Freuden und Vergnügungen, ebenso froh und freundlich nahm er mich in Empfang, wenn ich heimkehrte; er streichelte mich, wie er seine Hunde und Pferde streichelte, er entbehrte mich nicht, wo ich auch sein mochte ..."
Kristin hatte sich erhoben - sie stand still am Tisch. Ramborg rang ihre Hände, so daß es in den Gelenken knackte, ging unermüdlich auf und ab.
„Jammaelt...", sagte sie ein wenig ruhiger. „Ich habe vor Jahr und Tag verstanden, wie er über mich dachte. Das sah ich schon, als seine Frau noch lebte. Darum aber darfst du nicht glauben, er hätte sich mit Worten oder Gebärden verraten. Er trauert selbst so sehr um Simon, kam oft und oft zu mir, um mich zu trösten - das ist richtig! Helga war es, die zu uns sagte, sie finde, daß es nun passend wäre, wenn wir ... Ich weiß nicht, worauf ich warten sollte. Ich werde nie mehr oder weniger getröstet sein,
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