Kristin Lavranstochter 2
lachte leise.
Er legte die Axt weg und setzte sich auf die Außenbank, den Rücken gegen den Tisch gelehnt. Plötzlich wurde er ernsthaft.
„Du stehst so da - es ist doch wohl daheim nichts Schlimmes geschehen - auf Jörundhof, meine ich - mit den Knaben?“
„Nein.“ Jetzt hatte sie Gelegenheit, ihre Sache vorzubringen. „Unseren Söhnen geht es gut, und ich bin zufrieden mit ihnen. Aber sie sehnen sich so nach dir, Erlend. Dies war mein Anliegen - ich bin hierhergekommen, mein Gemahl, um dich zu bitten, zu uns heimzukehren. Wir alle entbehren dich ...“ Sie schlug die Augen nieder.
„Du siehst gut aus, Kristin ..." Erlend sah sie mit einem kleinen Lächeln an.
Rot, als habe er sie ins Gesicht geschlagen, stand Kristin da.
„Es ist nicht deshalb ...“
„Nein, ich weiß, es ist nicht deshalb, weil du findest, du seist zu jung und zu gesund, um als Witfrau zu leben“, vollendete Erlend, als sie abbrach. „Ich glaube nicht, daß etwas Gutes dabei herauskommt, wenn ich heimkehre, Kristin“, sagte er ernsthafter. „Unter deinen Händen gedeiht alles auf Jörundhof, das weiß ich - du hast Glück mit allem, was du tust. Und ich bin zufrieden damit, wie ich es jetzt habe.“
„Für die Knaben ist es nicht gut - daß wir in Feindschaft miteinander leben“, antwortete sie leise.
„Oooh.“ Erlend sagte dies gedehnt. „Die sind so jung, ich glaube nicht, daß sie es so schwernehmen und daß sie es nicht vergessen können, wenn sie einmal der Kindheit entwachsen sind. Ich kann es dir ebenso gerne auch sagen“, fügte er mit einem kleinen Lächeln hinzu, „ich treffe dann und wann mit ihnen zusammen.“
Sie wußte das, aber sie empfand es wie eine Demütigung, und als habe er gerade dies gewollt, denn er glaubte, sie ahne es nicht. Die Söhne hatten es nie gewußt. Aber sie antwortete ernst:
„Dann ist dir auch bekannt, daß auf Jörundhof gar vieles anders ist, als es sein sollte.“
„Wir reden nie über solche Dinge“, sagte er lächelnd wie zuvor. „Wir gehen miteinander auf die Jagd - aber du mußt ja hungrig und durstig sein“, er sprang auf. „Und überdies stehst du; nein, setz dich doch in den Hochsitz, Kristin - doch, tu das, meine Liebe! Ich werde dir dort den Platz nicht eng machen.“
Er holte die Milch und den Käse herein und trug Brot, Butter und gedörrtes Fleisch herbei. Kristin war hungrig und vor allem durstig; trotzdem fiel es ihr schwer, das Essen hinunterzuschlucken. Erlend aß, rasch und nachlässig, wie es stets seine Gewohnheit gewesen war, wenn er sich nicht unter Fremden befand, aber er war bald fertig.
Währenddessen redete er von sich selber. Die Leute hier drunten am Hang bebauten sein Land und brachten ihm Milch und ein wenig zu essen - er selbst sei meistens drinnen im Gebirge beim Jagen und Fischen. Übrigens gedenke er jetzt, außer Landes zu gehen, erzählte er plötzlich. Bei irgendeinem ausländischen Kriegsherrn Dienste anzunehmen . ..
„Ach nein, Erlend!“
Er sah sie rasch und forschend an. Sie aber sagte weiter nichts. Es begann dämmerig zu werden in der Stube - ihr Gesicht und ihr Kopftuch leuchteten bleich gegen die dunkle Wand auf. Erlend erhob sich und machte ein Feuer an. Dann setzte er sich rittlings auf die Außenbank, ihr zugewandt; der rote Feuerschein fiel flackernd auf seine Gestalt.
Wie konnte er nur an so etwas denken! Er war beinahe so alt wie ihr Vater, als dieser starb. Und es war nur zu leicht möglich, daß er eines Tages diesen Plan ausführte, einem solchen Gedanken nachgab, hinauszog, um neue Abenteuer zu suchen.
„Dünkt es dich nicht schon genug“, sagte Kristin heftig, „genug, daß du aus dem Tal wegzogst, weg- von deinen Söhnen und mir - willst du jetzt auch noch das Land verlassen?“
„Hätte ich verstanden, was du von mir denkst, Kristin“, sagte Erlend ernsthaft, „so wäre ich früher von deinem Hof weggezogen! Aber ich begreife jetzt, daß du viel von mir hast ertragen müssen.“
„Du weißt sehr wohl, Erlend - du sagst mein Hof, aber du hast doch das Recht, über meinen ganzen Besitz zu verfügen.“ Sie hörte selbst, wie weich ihre Stimme wurde.
„Ja“, antwortete Erlend. „Aber ich weiß selbst, ich war ein schlechter Herr über meinen Besitz.“ Er schwieg ein wenig. „Naakkve - ich entsinne mich der Zeit, da er noch nicht geboren war, du sprachst von dem, den du in dir trugst, der nach mir meinen Platz im Hochsitz einnehmen sollte. Jetzt verstehe ich, Kristin - es war hart für dich, es
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