Kristin Lavranstochter 2
ist am besten, wenn alles so bleibt, wie es ist. Und mir geht es gut bei diesem Leben.“
Kristin blickte sich schaudernd in der dunklen Stube um -jetzt füllten die Schatten jeden Winkel, und der Flammenschein tanzte.
„Ich begreife nicht“, sagte sie, nahe daran, zusammenzusinken, „wie du dieses Haus ertragen kannst. Nichts hast du, womit du dich beschäftigen könntest, niemand ist bei dir - du könntest dir doch einen Knecht nehmen, meine ich.“
„Du meinst, ich sollte selbst den Hof betreiben!“ Erlend lachte. „O nein, Kristin, du weißt doch, ich tauge so wenig zum Bauern. Ich kann nicht in Ruhe dasitzen.“
„Ruhe! Hier sitzest du doch wohl in Ruhe - den langen Winter.“
Erlend lächelte vor sich hin, mit einem fernen und seltsamen Blick.
„Ja, in einer Weise ... Wenn ich an nichts anderes zu denken brauche als an das, was mir durch den Kopf schwirrt - wenn ich gehen und kommen kann, wie es mir gefällt. Außerdem weißt du: bei mir ist und war es stets so, wenn ich nicht um irgendeiner Sache willen wachen muß, so kann ich schlafen - ich schlafe wie ein Bär in seiner Höhle, wenn das Wetter nicht dazu angetan ist, in den Bergen herumzustreifen.“
„Fürchtest du dich nie, hier allein zu sein?“ flüsterte Kristin. Zuerst sah er sie an, als begreife er nicht. Dann lachte er.
„Weil es heißt, daß es hier spuke? Ich habe nie etwas gemerkt. Manches Mal habe ich gewünscht, mein Verwandter Björn möchte mich heimsuchen. Erinnerst du dich, daß er einmal sagte, er glaube, ich würde es schlecht ertragen, das Messer an meiner Kehle zu fühlen. Ich hätte fast Lust, dem Ritter jetzt zu antworten, daß es mir keinen großen Schrecken eingejagt hat, den Strick um den Hals zu spüren.“
Den Körper der Frau durchfuhr ein langer Schauder. Sie blieb stumm sitzen.
Erlend erhob sich.
„Es ist wohl an der Zeit, zu Bett zu gehen, Kristin.“
Erstarrt und kalt sah sie zu, wie Erlend die Decke, die über seiner Rüstung lag, auf dem Bett ausbreitete und über die schmutzigen Kopfkissen legte.
„Das ist das Beste, was ich habe“, sagte er.
„Erlend!“ Sie preßte die Hände unter der Brust zusammen. Sie suchte nach etwas, was sie sagen könnte, um noch eine kleine Frist zu gewinnen - ihr war so angst. Da entsann sie sich mit einmal ihres Auftrages, den sie ausrichten sollte. „Erlend - ich habe dir eine Botschaft zu überbringen. Als Simon in den letzten Zügen lag, bat er mich, dich von ihm zu grüßen und zu sagen, er habe jeden Tag die Worte bereut, die er zu dir sagte, als ihr euch das letztemal trenntet. Unmännlich nannte er sie selbst -und er bat dich, du mögest ihm dies verzeihen.“
„Simon.“ Erlend stand da und hielt mit der einen Hand den Bettpfosten umfaßt, er blickte zu Boden. „Das ist der Mann, an den ich am wenigsten erinnert werden möchte.“
„Ich weiß nicht, was zwischen euch vorgefallen ist“, sagte
Kristin. Ihr schienen diese Worte Erlends erstaunlich herzlos. „Aber merkwürdig wäre es und Simon durchaus unähnlich, wenn es sich so verhielte, wie er selbst sagte, und er wirklich so wenig hochgesinnt gegen dich gewesen wäre. Sicher war nicht alle Schuld auf seiner Seite, wenn es sich so verhält.“
Erlend schüttelte den Kopf.
„Er stand wie ein Bruder zu mir, als ich in Not war“, sagte er leise. „Und ich nahm seine Hilfe und seine Freundschaft an und begriff nicht, daß es ihm stets schwerfiel, mich zu ertragen. Mich dünkte, das Leben müsse früher leichter gewesen sein, da zwei solche Burschen wie er und ich einander zum Zweikampf aufforderten, sich auf einer Insel trafen und das Waffenglück darüber entscheiden ließen, wer die holde Maid besitzen solle.“ Er nahm einen alten Umhang von der Bank und warf ihn über den Arm.
„Vielleicht willst du die Hunde heute nacht bei dir in der Stube haben?“
Kristin hatte sich erhoben. „Wo gehst du hin, Erlend?“
„In die Scheune hinaus, um zu schlafen.“
„Nein!“ Erlend hielt inne, stand da, schlank und rank und jung in dem kleinen roten Schein der sinkenden Glut im Ofen. „Ich wage nicht, allein hier in dieser Stube zu liegen - ich wage es nicht...“
„Wagst du es denn, in meinem Arm zu liegen?“ Sie konnte sein Lächeln im Dunkeln erkennen, brach darunter zusammen. „Hast du nicht Angst, ich könnte dich zu Tode pressen, Kristin?“
„Ach, wolltest du doch ...“ Sie gab sich ihm in die Arme.
Als sie erwachte, sah sie am Fenster, daß es draußen Tag sein mußte. Auf ihrer
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