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Kristin Lavranstochter 2

Titel: Kristin Lavranstochter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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unterhieltest.“
    „Ulv - er hat es also gewußt?“ fragte Kristin leise.
    „Jardtrud hat ihn deshalb schon lange beschuldigt, das war wohl der Grund, weshalb er sie schlug, und eines Abends, jetzt zu Weihnachten, um die Zeit, da du anfingst dick zu werden -wir saßen gerade bei ihnen in der Verwalterstube und tranken, Solveig und Öivind waren da und noch einige andere Leute südlich aus dem Tal da sagte Jardtrud zu ihm, daß er die Schuld daran trüge. Ulv schlug sie mit seinem Gürtel so hart, daß die Spange sie blutig riß. Von da ab jedoch ging Jardtrud umher und sagte, Ulv habe es nicht mit einem Wort abgeleugnet.“
    „Und seit der Zeit ist dieses Gerede im Tal aufgekommen?“ fragte Kristin.
    „Ja, aber wir alle von deinem Hof haben stets widersprochen“, versicherte Gunhild weinend.
    Um den Knaben zu beruhigen, mußte Kristin sich jetzt zu ihm aufs Bett legen und ihn in ihren Arm nehmen, aber sie klei-dete sich nicht aus, und sie fand in dieser Nacht auch keinen Schlaf.
    Unterdessen aber war der Knabe Lavrans in der Stube im Oberstockwerk aufgestanden und hatte sich angekleidet. Und gegen Abend, als Naakkve hinunterging, um bei der Arbeit im Kuhstall zu helfen, verließ er das Haus und trat in den Pferdestall. Dort sattelte er den roten Wallach, der Gaute gehörte. Es war das beste Pferd nach dem Hengst, den aber wagte er nicht zu reiten.
    Einige der Männer, die auf dem Hof die Wache hielten, kamen herbei und fragten den Knaben, wohin er wolle.
    „Ich weiß nichts davon, daß ich Gefangener bin“, antwortete Lavrans. „Aber ich will es euch auch nicht verbergen - ihr könnt es mir doch nicht verwehren, nach Sundbu zu reiten und den Ritter hierherzuholen, damit er seine Verwandten verteidigt.“
    „Es wird bald dunkel, Junge“, sagte Kolbein Jonssohn. „Wir können es doch nicht zulassen, daß dies Kind zur Nachtzeit durchs Gebirge reitet. Wir müssen mit der Mutter sprechen.“
    „Nein, tut das nicht“, sagte Lavrans, um seinen Mund bebte es ein wenig. „Der Auftrag, in dem ich reite, ist von solcher Art, daß ich auf Gott und die Jungfrau Maria vertraue, sie werden meinen Weg schützen, wenn meine Mutter schuldlos ist. Und wenn nicht, ist es ohnehin gleichgültig...“, er brach ab, denn er war dem Weinen nahe.
    Kolbein blieb stehen. Er betrachtete das schöne Kind mit den hellen Haaren.
    „So reite denn - und Gott sei mit dir, Lavrans Erlendssohn“, sagte er und wollte dem Knaben in den Sattel helfen.
    Aber Lavrans führte sein Pferd so, daß die Männer zur Seite weichen mußten. Er stieg auf den großen Stein beim Zaungatter und warf sich von dort auf den Rücken des Fuchses, dann sprengte er in der Richtung des Weges nach Vaage davon.

8
    Lavrans war so scharf geritten, daß sein Pferd schäumte, als er zu der Stelle kam, von der aus, wie er wußte, ein Steig durch das Geröll und zwischen den Felsen hindurchführte, die überall auf der Nordseite des Siltales jäh abstürzten. Er wußte, daß er noch vor Einbruch der Dunkelheit auf der Hochebene oben sein mußte. Er kannte sich nicht aus in diesem Gebirge zwischen Vaage, Sil und Dovre, aber der Wallach war hier einen Sommer lang auf der Weide gewesen, und er hatte Gaute viele Male nach Haugen getragen, allerdings auf anderen Wegen. Lavrans beugte sich vor und klopfte den Hals des Tieres.
    „Du mußt nach Haugen finden, Fuchs, mein Sohn, du mußt mich heute nacht zum Vater bringen, Fola, nicht?“
    Kaum war er auf der Höhe des Gebirges angelangt und saß wiederum im Sattel, nahm die Dunkelheit rasch zu. Er ritt durch ein mooriges kleines Gebirgstal dahin. Zur Begleitung hatte er unendlich viele kleine Felskuppen, die gegen den immer dunkler werdenden Himmel abstachen. An den Hängen des Tales standen Birkenhaine, und die Stämme leuchteten weiß; alle Augenblicke schlugen nasse Zweige gegen die Brust des Pferdes und in das Gesicht des Knaben. Steine lösten sich unter den Hufen und rollten den Hang hinunter bis an die tiefste Stelle des Gebirgstales - dann watete der Gaul durch weichen Grund. Der Fuchs fand seinen Weg in der Dunkelheit, hangauf, hangab, und der Bach rauschte einmal näher, einmal ferner. Einmal schrie irgendein Tier in der Gebirgsnacht, aber Lavrans konnte nicht unterscheiden, was für ein Tier es war - und der Wind sauste und sang, stärker und schwächer.
    Das Kind hielt den Speer so, daß die Spitze zwischen den Ohren des Tieres herauslugte. In dem Tal hier sollte es Bären geben. Lavrans fragte sich, wann es

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