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Kristin Lavranstochter 2

Titel: Kristin Lavranstochter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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Lavrans ging fast stets allein und schwieg still.
    Man hielt ihn für den schönsten all der schönen Söhne Kristins von Jörundhof. Die Mutter fand stets, daß der, an den sie im Augenblick dachte, fast der schönste sei, aber auch sie fühlte, wie von Lavrans Erlendssohn gleichsam ein Licht auszustrahlen schien. Seine hellbraunen Haare und die apfelfrischen Wan-gen waren wie vergoldet, von Sonnenschein gesättigt. Auch seine großen dunkelgrauen Augen schienen wie mit kleinen gelben Funken übersät - er hatte sehr viel Ähnlichkeit mit ihr selber, so wie sie in ihrer Jugend gewesen war, da ihre helle Lieblichkeit gleichsam von Sonnenbräune übergossen war. Und er war groß und kräftig für sein Alter, tüchtig und geschickt bei aller Arbeit, die ihm übertragen wurde, gehorsam gegen seine Mutter und die älteren Brüder, munter, freundlich und anhänglich. Aber dennoch lag dieses seltsam Ferne über dem Knaben.
    An den Winterabenden, wenn das Gesinde in der Webstube zusammenkam und sich die Zeit mit Scherz und Gesprächen verkürzte, während jeder mit seiner Arbeit beschäftigt war, saß Lavrans ganz wie in Träume versunken da. Gar manchen Sommerabend, wenn das Tagewerk auf dem Hof beendet war, ging Kristin hinaus und setzte sich zu diesem Knaben, der auf der Wiese lag, Harz kaute oder einen Sauerampferstiel zwischen den Lippen drehte. Sie achtete auf seine Augen, während sie mit ihm sprach - es war, als hole er seine Gedanken aus weiter Ferne zurück. Dann lächelte er seine Mutter an, antwortete ihr klug und vernünftig; oft saßen sie stundenlang so am Hang und redeten miteinander, behaglich und freundlich. Kaum aber erhob sie sich, um ins Haus zu gehen, so war es, als wende sich Lavrans mit seinen Gedanken wieder weiten Fernen zu.
    Und es war ihr unmöglich, herauszufinden, worüber der Knabe so tief nachdachte. Zwar war er ganz flink in allen Leibesübungen und im Gebrauch der Waffen - zeigte aber doch viel weniger Eifer in diesen Dingen als ihre anderen Söhne. Und nie ging er allein auf die Jagd hinaus, freute sich jedoch, wenn Gaute ihn bat, mit ihm zu gehen. Auch schien er, bis jetzt wenigstens, noch nicht zu bemerken, daß die Frauen ihn mit sanften Augen ansahen. Er zeigte durchaus keine Lust zu Bücherweisheit, und alle Gespräche über die Absicht der älteren Brüder, ins Kloster zu gehen, schien der Jüngste wenig zu beachten. Kristin konnte nicht bemerken, daß der Knabe über seine Zukunft je etwas anderes gedacht hatte, als daß er sein Leben lang daheim bleiben und Gaute bei der Bewirtschaftung des Hofes helfen würde, so wie er es jetzt tat.
    Bisweilen dünkte es Kristin, Lavrans erinnere mit diesem seltsam geistesabwesenden Gebaren ein wenig an seinen Vater -aber Erlends weiche gedämpfte Art hatte mit ausgelassenem
    Übermut gewechselt, und Lavrans besaß durchaus nichts von dem jähen, heftigen Gemüt des Vaters. Erlend war nie so weit von allem weg gewesen, was sich rings um ihn bewegte.
    Lavrans war jetzt der Jüngste. Munan schlief schon seit langem oben unter dem grünen Hügel bei seinem Vater und dem kleinen Bruder. Er starb zeitig im Frühjahr jenes Jahres, das auf Erlends Tod folgte.
    Die Witwe war seit dem Tode ihres Mannes umhergegangen, als sähe und höre sie nichts. Mehr als Schmerz und Trauer empfand sie eine stumpfe Kälte und eine empfindungslose Ohnmacht an ihrem ganzen Körper und an ihrer Seele, als sei sie selbst im Begriff, an Erlends Todeswunde zu verbluten.
    Ihr ganzes Leben war in seiner Umarmung gelegen, seit jener gewitterschwülen Mittagsstunde in der Scheune auf Skog, als sie sich Erlend Nikulaussohn zum erstenmal hingab. Damals war sie so jung und so unerfahren, wußte nicht mehr von dem, was sie tat, als daß sie zu verbergen suchte, wie sie am liebsten geweint hätte, weil er ihr Schmerz bereitete, aber sie lächelte, denn sie glaubte, sie gäbe ihrem Geliebten die köstlichste Gabe. Und ob es nun eine gute Gabe war oder nicht, sie hatte sich selbst ihm gegeben, ganz und für immer. Ihren jungfräulichen Leib, den Gott voll Barmherzigkeit mit Anmut und Gesundheit geschmückt hatte, als er sie in sicheren und ehrbaren Verhältnissen zur Welt kommen ließ, den ihre Eltern in all den Jahren schützten, da sie die Tochter mit liebevoller Strenge aufzogen - mit beiden Händen hatte sie alles Erlend gegeben, und seitdem hatte sie in seiner Umarmung gelebt.
    So viele Male in den folgenden Jahren hatte sie seine Liebkosungen hart und kalt vor Zorn

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