Kristin Lavranstochter 2
vorsichtige Art - es trat ihm dabei blutiger Schaum über die Lippen. Kristin wischte diesen mit ihrem Kopftuch weg. Nach einer Weile fuhr Erlend fort: „Das müßt ihr mir nun vergeben, wenn ihr glaubt, dies tun zu können. Vergeßt nie, meine guten Burschen, daß eure Mutter in all den Jahren, die sie mit mir zusammen war, für euch gekämpft hat - nie hat zwischen uns eine andere Feindschaft geherrscht als die, die ich selbst verursachte, indem ich so wenig auf euer Wohl achtete - aber sie liebte euch mehr als ihr eigenes Leben ...“
„Wir werden nicht vergessen“, antwortete Gaute weinend, „daß Ihr, Vater, uns stets als der kühnste Mann und der hervorragendste Anführer erschienen seid. Stolz waren wir darauf, Euere Söhne zu heißen, und nicht weniger stolz, da das Glück Euch verließ, als in den Tagen Euerer Macht.“
„Du redest, wie du es verstehst“, antwortete Erlend, er lachte zerbrechlich und hustend, „und bereitet euerer Mutter nicht den Kummer, daß ihr mir nachgeratet - sie hat genug zu tragen gehabt, daß sie mich bekam ..."
„Erlend, Erlend“, schluchzte Kristin.
Die Söhne küßten dem Vater Hand und Wange, weinend gingen sie weg und setzten sich auf die Bank an der Wand. Gaute umfaßte Munan bei den Schultern und zog das Kind an sich; die Zwillinge saßen Hand in Hand. Erlend legte wiederum seine Hand in die Kristins. Die seine war kalt; da zog sie ihm die Decke bis ans Kinn hinauf, blieb aber sitzen und hielt seine Hand unter der Decke fest.
„Erlend“, sagte sie weinend. „Gott schütze uns - wir müssen nun den Priester für dich holen ...“
„Ja“, antwortete Erlend schwach. „Es soll einer nach Dovre reiten und Sira Guttorm, meinen Kirchspielpriester, holen.“ „Erlend - der kommt nicht früh genug“, sagte Kristin entsetzt.
„Doch“, erwiderte Erlend heftig. „Vorausgesetzt, daß Gott mir dies vergönnen mag - denn keinesfalls will ich den letzten Dienst von jenem Priester annehmen, der dieses Gerede über dich verbreitet hat.“
„Erlend - um Jesu willen - so darfst du nicht sprechen ...“ Ulv Haldorssohn trat hinzu und beugte sich über den Sterbenden.
„Ich, Erlend, ich werde nach Dovre reiten.“
„Erinnerst du dich, Ulv“, sagte Erlend, seine Stimme begann jetzt schwach und unklar zu werden, „an die Zeit, da wir von Hestnaes wegzogen, du und ich?“ Er lachte ein wenig. „Ja, da versprach ich es, ich wollte dir allezeit als dein getreuer Verwandter beistehen. Gott sei es geklagt, Verwandter, meist warst du es und nicht ich, der Verwandtentreue bewies, Ulv, mein Freund. Habe - Dank dafür - Verwandter ...“
Ulv beugte sich hinab und küßte die blutigen Lippen des anderen.
„Hab selber Dank, Erlend Nikulaussohn ...“
Er zündete ein Licht an. stellte es in die Nähe des Sterbelagers und ging hinaus.
Erlend waren die Augen wieder zugefallen. Kristin saß da und starrte sein weißes Antlitz an - ab und zu streichelte sie es. Sie glaubte zu sehen, wie er immer mehr dem Tod entgegensank.
„Erlend“, bat sie leise. „Um Jesu willen - laß uns Sira Solmund für dich holen. Gott ist Gott, welcher Priester ihn auch bringen mag...“
„Nein!“ Der Mann setzte sich im Bett auf, so daß die Decken von seinem nackten gelben Körper abglitten. Die Binden über Brust und Leib färbten sich durch das frisch hervorquellende Blut von neuem mit hellen roten Flecken. „Ein sündiger Mann bin ich - Gott sei mir in seiner Barmherzigkeit so gnädig, wie er es mir vergönnen mag, aber ich fühle ...“, er fiel in die Kissen zurück, flüsterte beinah unhörbar, „ich lebe nicht lange genug - um so alt - und so fromm - zu werden - daß ich es ertragen könnte - ruhig mit dem Mann in derselben Stube zu sein, der dich verleumdet hat...“
„Erlend, Erlend - denke an deine Seele!“
Er bewegte verneinend den Kopf in den Kissen. Seine Augenlider waren wiederum zugefallen.
„Erlend!“ Sie schlug die Hände zusammen, sie schrie laut in äußerster Not. „Erlend - begreifst du denn nicht, so wie du gegen mich handeltest, mußte ja solches gesagt werden!“
Erlend schlug die großen Augen auf. Seine Lippen waren bläulichblaß - doch ein Widerschein seines jungen Lächelns flog über das eingefallene Gesicht.
„Küsse mich, Kristin“, flüsterte er. Es klang wie der Schatten eines Lachens in seiner Stimme. „Es ist wohl zuviel anderes zwischen dir und mir gewesen - anderes als nur Christentum und gemeinsames Leben - als daß wir leichthin -
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