Kristin Lavranstochter 2
wurde fest und entschlossen. Aber es verging eine Weile, ehe er sprechen konnte.
„Ich weiß seit langem, Mutter, daß ich dazu ausersehen bin, dieses zu tragen. Schon damals, als wir auf Tautra waren -Bruder Aslak sprach mit mir darüber und sagte, wenn es je mit mir dahin kommen würde, dann . . .
Wie Unser Herr Jesus in der Wildnis in Versuchung geführt wurde, sagte er... Er sagte, die Seele eines Christen befinde sich erst dann in der wahren Wildnis, wenn ihm Gesicht und Gefühl verschlossen seien - dann folge er den Fußspuren des himmlischen Königs durch die Wildnis, gleichviel, ob sein Leib mitten unter seinen Brüdern oder Verwandten weile. - Er las mir aus den Büchern Sankt Bernhards über diese Dinge vor. Und sagte, wenn eine Seele fühle, daß Gott gerade sie zu einer solch harten Prüfung ausersehen habe, dürfe sie nicht fürchten, daß sie die Prüfung nicht bestehen könne. Gott kenne meine Seele besser, als die Seele sich selber kennt...“
Er fuhr fort, in dieser Art mit seiner Mutter zu sprechen, und tröstete sie mit einer Weisheit und Seelenstärke, die weit über seine Jahre hinauszugehen schien.
Am Abend kam Naakkve zu Kristin und bat, mit ihr unter vier Augen sprechen zu dürfen. Da sagte er, es sei sein und Björgulvs Entschluß, in eine göttliche Brüderschaft einzutreten und die Mönchsweihe in Tautra zu empfangen.
Kristin war völlig überrascht und betroffen, Naakkve aber fuhr sehr ruhig fort. Sie wollten so lange warten, bis Gaute mündig sei und für die Mutter und die jüngeren Geschwister handeln könne. Ins Kloster wollten sie so viel Besitz mitbringen, wie es sich für die Söhne Erlend Nikulaussohns von Husaby gezieme, zugleich aber wollten sie auch das Wohl ihrer Brüder nicht außer acht lassen. Die Erlendssöhne hatten von ihrem Vater nichts Nennenswertes geerbt, jene drei aber, die geboren waren, ehe Gunnulv Nikulaussohn ins Kloster ging, besaßen im Norden oben einige Hofanteile - Gunnulv hatte, als er seine Reichtümer verteilte, den Söhnen seines Bruders Schenkungen gemacht, wenn er auch das meiste, was er nicht der Kirche und dem Dienst Gottes stiftete, seinem Bruder hinterließ. Und wenn sie, Naakkve und Björgulv, nicht ihren vollen Anteil an der Erbschaft beanspruchten, so bedeute es für Gaute, der jetzt das Haupt der Sippe würde und sie weiterführen sollte, eine Erleichterung, daß die beiden Ältesten für diese Welt stürben, sagte Naakkve.
Kristin war wie vor den Kopf geschlagen. Nie hätte sie sich träumen lassen, daß Naakkve an ein Leben als Mönch denken würde. Aber sie sagte nichts dagegen - sie war ganz überwältigt. Und sie wagte nicht, ihren Söhnen von einem so schönen und nützlichen Vorhaben abzuraten.
„Schon als wir noch Knaben waren und zusammen bei den Mönchen oben im Norden lebten, versprachen wir uns, daß keiner sich je vom anderen trennen würde“, sagte Naakkve.
Die Mutter nickte, sie wußte das. Aber sie hatte gedacht, es sei so gemeint gewesen, daß Björgulv stets bei Naakkve wohnen würde, auch wenn Naakkve heirate.
Es dünkte Kristin fast ein Wunder, daß Björgulv, so jung er doch noch war, sein Unglück so männlich zu tragen vermochte. Jedesmal wenn sie im Lauf des Frühlings mit ihm darüber sprach, vernahm sie nichts anderes als nur gottesfürchtige und mutige Worte aus seinem Munde. Unfaßbar schien es ihr - aber es hatte wohl seinen Grund darin, daß er schon seit vielen Jahren wußte, wie seine Schwachsichtigkeit enden würde, und so hatte er seine Seele wohl schon seit der Zeit, da er bei den Mönchen gewesen war, darauf vorbereitet.
Nun aber mußte sie daran denken, wie hart und schwer dieses ihr unglückliches Kind gelitten hatte - und sie hatte so wenig davon bemerkt in all der Zeit, in der sie mit ihren eigenen Angelegenheiten erfüllt war. Jetzt kniete Kristin Lavranstochter jeden Augenblick, den sie allein war, vor dem Bild der Jungfrau Maria oben im Dachraum oder vor dem Altar im nördlichen Schiff der Kirche, sooft diese offenstand. Aus ganzem Herzen wehklagend, bat sie unter demütigen Tränen die milde Mutter des Erlösers, an Björgulv Mutterstelle zu vertreten und ihn nicht entgelten zu lassen, was seine leibliche Mutter versäumt hatte.
In einer Sommernacht lag Kristin wach da, Naakkve und Björgulv schliefen jetzt wieder im Oberstockwerk, aber Gaute lag drunten bei Lavrans, denn die beiden ältesten Brüder wollten sich im Wachen und Beten üben, hatte Naakkve gesagt. Sie war gerade im Begriff,
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