Kristin Lavranstochter 2
fuhr zusammen, aber der Sohn sprach in heftiger Erregung weiter: „Gott sagte diese Worte wohl nicht deshalb, weil er seine Mutter verachtete. Aber er selbst wies sie zurecht, diese reine Perle, ohne Fehler, ohne Mangel, als sie ihm einen Rat geben wollte, wie er die Kraft gebrauchen solle, die er von seinem Vater im Himmelreich und nicht von seiner irdischen Mutter erhalten hatte. -Mutter, Ihr dürft mir hierin nicht raten - erkühnt Euch nicht hierzu..."
Kristin ließ den Kopf auf ihre Brust sinken.
Bald darauf sagte Naakkve sehr leise:
„Habt Ihr vergessen, Mutter, daß Ihr mich von Euch wegjagtet ...“ Er schwieg, als wage er nicht, sich auf seine eigene Stimme zu verlassen. Dann aber fing er wieder an: „Ich wollte neben Euch am Sterbebett meines Vaters knien - aber Ihr hießet mich Weggehen. Glaubt Ihr nicht, daß mein Herz in meiner Brust stöhnte, jedesmal, wenn ich daran dachte?“
Beinahe unhörbar flüsterte Kristin:
„Bist du darum so - kalt - gegen mich, in all diesen Jahren, seit ich Witwe bin?“
Der Sohn schwieg.
„Ich beginne zu verstehen - dies hast du mir nie verziehen.“
Naakkve blickte zur Seite.
* Weib, was habe ich mit dir zu schaffen? (Joh. 2 , 4)
„Bisweilen habe ich dir wohl verziehen, Mutter“, sagte er mit schwacher Stimme.
„Oft gewiß nicht - Naakkve, Naakkve!“ rief sie in bitterer Klage aus. „Glaubst du, ich liebe Björgulv weniger als du? Ich bin doch seine Mutter - ich bin doch euer beider Mutter! Grausam warst du, da du die Türe zwischen ihm und mir stets verschlossen hieltest.“
Naakkves bleiches Gesicht wurde noch weißer.
„Ja, Mutter, ich verschloß die Türe vor dir. - Grausam, sagtest du? Jesus steh dir bei, du weißt nicht...“ Die Stimme des Jünglings erstarb in einem Flüstern, als sei seine Kraft erschöpft. „Ich dachte, du solltest nicht - dir mußten wir es doch ersparen...“
Er wandte sich jäh um, ging zur Türe und zog den Riegel zurück. Dann aber blieb er stehen, mit dem Rücken zu Kristin. Endlich rief sie ihn leise bei seinem Namen. Da kam er zurück, stand mit gesenktem Kopf vor ihr.
„Mutter! Ich begreife wohl, dies ist nicht - leicht - für Euch...“
Sie legte ihre Hand auf seine Schultern. Er verbarg sein bleiches Gesicht vor ihrem Blick, beugte jedoch den Kopf herab und drückte einen Kuß auf ihr Handgelenk. Kristin erinnerte sich, so hatte sein Vater es einmal gemacht - sie konnte sich nicht darauf besinnen, wann.
Sie strich über seinen Ärmel hinab, da hob er die Hand und streichelte ihre Wange. Dann setzten sie sich hin, saßen da und schwiegen.
„Mutter“, sagte Naakkve nach einer Weile, ruhig und still. „Habt Ihr noch das Kreuz, das Ihr von meinem Bruder Orm erhieltet?“
„Ja“, antwortete Kristin, „er ließ mich bitten, mich nie davon zu trennen.“
„Ich glaube, hätte Orm darum gewußt, so würde er sein Einverständnis dazu gegeben haben, daß ich es nach ihm trage. Auch ich werde jetzt ohne Erbe und Geschlecht sein.“
Kristin zog das kleine silberne Kreuz unter ihrem Hemd hervor. Naakkve nahm es entgegen; es war warm von der Brust der Mutter. Ehrerbietig küßte er die Stelle mitten auf dem Kreuz, wo eine Reliquie verborgen war, knüpfte das dünne Kettchen um seinen Hals und schob das Schmuckstück unter die Kleider.
„Entsinnst du dich deines Bruders Orm?“ fragte die Mutter.
„Ich weiß nicht. Mich dünkt so - aber vielleicht kommt das nur daher, weil Ihr soviel von ihm spracht, als ich noch klein war.“
Naakkve blieb noch eine Weile so vor der Mutter sitzen. Dann stand er auf.
„Gute Nacht, Mutter!“
„Gott segne dich, Naakkve, gute Nacht!“
Er ging Kristin legte Ivars Hochzeitsgewand und ihre Nähsachen zusammen, löschte die Glut auf der Feuerstätte.
„Gott segne dich, Gott segne dich, mein Naakkve.“ Dann blies sie das Licht aus und verließ das alte Haus.
Einige Zeit später traf Kristin auf einem Hof im Tal mit Tordis zusammen. Die Leute dort lagen krank, so daß sie ihr Heu nicht hatten einbringen können, jetzt kamen Brüder und Schwestern der Olavsgilde und verrichteten die Arbeit für sie. Am Abend schloß Kristin sich dem Mädchen ein Stück weit an. Sie ging langsam und besinnlich dahin und plauderte ein wenig, und nach und nach gelang es ihr, das Gespräch so zu lenken, daß Tordis der Mutter Naakkves von selbst erzählte, was zwischen ihm und ihr gewesen war.
Ja, sie war mit ihm auf ihrer Weide daheim zusammengetroffen, und im vergangenen Sommer, als
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