Kristin Lavranstochter 2
hatte er sehr viel Ähnlichkeit mit seinem Großvater Lavrans. Der Kopf saß schön auf seinen Schultern, und seine wohlgeformten, ein wenig großen Hände waren ungewöhnlich stark. Aber der untere Teil seines Körpers war etwas zu kurz, und die Beine zeigten eine starke Krümmung. Darum trug er stets lange Gewänder, wenn er nicht um seiner Arbeit willen unbedingt einen kurzen Kittel anziehen mußte, obgleich es gerade in diesem Jahr unter den Männern für fein und höfisch galt, die Staatsgewänder kürzer machen zu lassen als sonst. Die Bauern lernten diesen Brauch von den vornehmen Leuten kennen, die durch das Tal zogen. Wenn aber Gaute Erlendssohn in seinem bis auf die Füße reichenden gestickten grünen Feiertagsgewand mit dem Silbergürtel um die schlanke Mitte und dem großen pelzgefütterten und über die Schultern zurückgeschlagenen Umhang zur Kirche oder zum Gastgelage kam, so sandten die Leute dem jungen Bauern von Jörundhof frohe und wohlmeinende Blicke nach. In der Hand trug Gaute stets eine prachtvolle silberbeschlagene Stabaxt, die Lavrans Björgulvssohn gehört hatte, dieser wiederum hatte sie von seinem Schwiegervater, Ivar Gjesling, geerbt - und die Leute fanden es schön, daß Gaute in die Fußstapfen seiner Vorväter trat und, so jung er auch war, sowohl in der Kleidertracht als auch in der Lebensweise und dem Wesen an dem guten alten Bauernbrauch festhielt.
Und zu Pferd war Gaute der schönste Mann, den man sich denken konnte. Er war der verwegenste Reiter, und die Leute im Tal prahlten damit, daß es in ganz Norwegen kein Pferd gebe, das Gaute nicht zu zügeln und zu reiten vermöchte. Als er im Jahr zuvor in Björgvin weilte, sollte er angeblich einen jungen Hengst bezwungen haben, den bis dahin noch kein Mann hatte bezwingen oder reiten können - unter Gautes Hand wurde das Tier so zahm, daß er ungesattelt auf ihm ritt und ihn mit dem Haarband eines jungen Mädchens lenkte. Als aber Kristin ihren Sohn über diese Geschichte ausfragte, lachte er nur und wollte nicht davon reden.
Daß Gaute im Umgang mit Frauen leichtsinnig war, wußte Kristin. Und dies sagte ihr wenig zu, aber sie dachte, das käme wohl hauptsächlich daher, daß die Frauen dem schönen jungen Mann allzu freundlich begegneten, und Gaute war offen und von freimütigem Wesen. Das meiste davon war wohl Spiel und Unsinn - er nahm solche Dinge nicht schwer und hielt nichts verborgen, so wie Naakkve es getan hatte. Er kam selber und sagte es seiner Mutter, als er von einem jungen Mädchen drüben auf Sundbu ein Kind bekommen hatte - dies war nun zwei Jahre her. Von Herrn Sigurd hörte Kristin, daß Gaute großzügig für die Mutter gesorgt und ihr eine gute Mitgift, entsprechend ihren Verhältnissen, gegeben habe; und das Kind wollte Gaute zu sich heim nehmen, sobald es der Brust entwöhnt sei. Er schien seine kleine Tochter sehr gerne zu haben, sah sich stets nach ihr um, wenn er in Vaage war - sie sei das schönste Kind, sagte Gaute stolz, und er hatte sie Magnhild taufen lassen. Auch Kristin war der Meinung, da ihr Sohn nun schon einmal gesündigt habe, sei es am besten, er nähme sein Kind zu sich heim und werde ihm ein treuer Vater. Sie freute sich sogar ziemlich darauf, die kleine Magnhild bei sich zu haben. Da aber starb das Kind im Alter von einem Jahr. Gaute war sehr betrübt, als er dies erfuhr, und Kristin dünkte es schmerzlich, daß sie ihre kleine Sohnestochter nie hatte sehen dürfen.
Kristin war es stets sehr schwergefallen, Gaute zu züchtigen. Als kleines Kind war er sehr kränklich gewesen, und später hatte er viel mehr als die anderen Kinder am Rockschoß der Mutter gehangen. Und dann hatte er ihrem Vater so ähnlich gesehen. Und als Kind war er so treuherzig und zuverlässig gewesen - ernsthaft und wie ein Erwachsener ging er neben ihr her und leistete ihr gerne manchen wohlgemeinten Dienst, von dem er in seiner kindlichen Unschuld glaubte, er müsse seiner
Mutter von größtem Nutzen sein. Nein, gegen Gaute hart zu sein, hatte sie nie vermocht - und wenn er aus Gedankenlosigkeit oder in der natürlichen Einfalt seines Alters irgend etwas Falsches machte, so bedurfte es auch nie mehr als einiger freundlicher zurechtweisender Worte, so besinnlich und klug war dieser Knabe.
Als Gaute zwei Jahre alt war, riet ihr der Hauspriester auf Husaby, der sich auf Kinderkrankheiten besonders gut verstand, dem Kinde wieder Muttermilch zu geben, da keine anderen Mittel helfen wollten. Um diese Zeit waren die
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