Kristin Lavranstochter 2
ordnen sei und was die beiden ältesten Söhne von ihrem Besitz mitnehmen wollten.
Aber einige Tage darauf kamen Hochzeitsbitter nach Jörundhof - Aasmund von Skjenne wollte das Verspruchsbier seiner Sohnestochter Tordis mit einem Sohn aus gutem Bauerngeschlecht von Dovre feiern.
Naakkve kam auch an diesem Abend zu seiner Mutter in die Webstube, und wiederum schloß er die Türe hinter sich ab. Er setzte sich auf den Rand der Feuerstätte, saß da und stocherte mit einem Ast in der Glut herum - Kristin hatte ein kleines Feuer angezündet, denn die Nächte waren in diesem Sommer kalt.
„Nichts als Feste und Feierlichkeiten, Mutter“, sagte er und lachte ein wenig. „Verspruchsbier auf Rognheim und Verspruchsbier auf Skjenne, und dann kommt Ivars Hochzeit -wenn Tordis als Braut zur Kirche reitet, folge ich wohl nicht mit - um diese Zeit trage ich vielleicht schon die Mönchstracht ..."
Kristin antwortete nicht sofort. Dann aber sagte sie, ohne von ihrer Arbeit aufzusehen - sie nähte an einem Festgewand für Ivar:
„Gar viele haben wohl geglaubt, daß es für Tordis Gunnarstochter ein Kummer sein würde, wenn du ins Kloster gingst.“
„Das habe ich selbst einmal geglaubt“, antwortete Naakkve.
Kristin ließ die Arbeit in ihren Schoß sinken. Sie betrachtete den Sohn - sein Gesicht war verschlossen und ruhig. Und er war so schön: das dunkle Haar, von der weißen Stirn zurückgekämmt, lockte sich so weich hinter den Ohren und an dem schlanken braunen Stamm des Halses. Er hatte regelmäßigere Züge als der Vater, das Gesicht war breiter und fester, die Nase nicht so groß und der Mund nicht so klein, die klaren blauen Augen lagen schön unter geraden schwarzen Brauen - und dennoch wirkte er nicht so schön, wie Erlend gewesen war. Es war die tierähnliche Weichheit und die lässige Anmut des Vaters gewesen, der Hauch unzerstörbarer Jugend, den Naakkve nicht besaß.
Die Mutter nahm ihre Arbeit wieder zur Hand, aber sie nähte nicht. Nach einer Weile sagte sie, während sie hinunterblickte und mit der Nadel eine Kante des Stoffes einbog:
„Denke daran, Naakkve, daß ich bisher noch nicht ein Wort gegen euer göttliches Vorhaben gesagt habe. Ich erdreiste mich nicht dazu. Aber du bist jung, und du - der viel gelehrter ist als ich - weißt wohl, irgendwo steht in der Schrift geschrieben: Schlecht geziemt es sich für einen Mann, sich umzudrehen und über die Schulter zurückzublicken, hat er erst einmal seine Hand an den Pflug gelegt.“
In dem Gesicht des Sohnes verzog sich nicht eine Miene.
„Ich weiß, daß ihr diesen Gedanken seit langer Zeit in euch herumtragt“, fuhr die Mutter fort, „schon als ihr noch Kinder wart. Damals wußtet ihr selber nicht, wessen ihr entsagen wolltet. Jetzt, da du ins Mannesalter gekommen bist - meinst du nicht, es könne ratsam sein, euch noch ein wenig länger zu prüfen, um zu sehen, ob ihr berufen seid? Du bist dazu geboren, den Hof hier zu übernehmen und das Haupt der Sippe zu sein.“
„Ihr erdreistet Euch jetzt, mir zu raten?“ Naakkve atmete ein paarmal tief. Er erhob sich - plötzlich griff er sich heftig an die Brust, riß Kittel und Hemd auf, so daß die Mutter seine nackte Brust sehen konnte, auf der das Muttermal, die fünf kleinen blutroten Feuerflecke, in dem schwarzen, krausen Haar aufschimmerte.
„Ihr glaubtet wohl, ich sei als Kind zu klein gewesen, um dies zu begreifen, was Ihr unter Tränen und Jammern seufztet, wenn Ihr mich küßtet, damals, als ich ein kleiner Bub war. Ich begriff es wohl auch nicht, aber die Worte, die Ihr sagtet, konnte ich nie vergessen.
Mutter, Mutter - habt Ihr vergessen, daß unser Vater den elendesten Tod starb, ohne Beichte und Wegzehrung? Und Ihr wagt es, uns abzuraten!
Ich denke, wir Brüder wissen, wovon wir uns abwenden. Mich dünkt es kein großes Opfer, den Hof hier und die Ehe zu verlieren - und jenen Frieden und jenes Glück, wie Ihr und mein Vater es miteinander hattet, in all den Jahren, die ich denken kann ...“
Kristin ließ ihre Arbeit fallen. Alles, was sie und Erlend durchlebt hatten - Böses und Gutes - der Reichtum an Erinnerungen schlug über ihr zusammen. So wenig wußte dieses Kind von dem, dem es entsagen wollte. Mit all seiner Jugend, den Kämpfen, seinen gewagten Unternehmungen, seinen losen Streichen und Liebeshändeln - er war nichts als ein unschuldiges Kind.
Naakkve sah, wie seiner Mutter die Tränen in die Augen stiegen; er schrie auf:
„Quid mihi et tibi est, mulier?*“ Kristin
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