Kristin Lavranstochter 2
heraus, da erblickte sie oben beim Hofgatter einige Reiter. Der Nebel wogte wie weißer Rauch vor ihrer Laterne - sie ging im Regen hinauf, um der Schar dunkler, in Pelze gekleideter Männer entgegenzugehen: vielleicht war es Gaute, um diese späte Zeit waren keine fremden Gäste mehr zu erwarten.
Da erkannte sie in dem vordersten Reiter Herrn Sigurd von Sundbu - ein wenig schwerfällig und steif wie ein alter Mann stieg er vom Pferd.
„Ja, ich bringe Nachricht von Gaute, Kristin“, sagte der Ritter, als sie einander begrüßt hatten. „Er kam gestern nach Sundbu ...“
Es war bereits so dunkel, daß sie den Ausdruck in seinem Gesicht nicht sehen konnte. Aber seine Stimme war so seltsam. Und als er auf das Wohnhaus zuging, befahl er seinen Knechten, sich mit Kristins Stallknecht in die Gesindestube zu begeben. Sie erschrak, da er weiter nichts sagte, dennoch fragte sie sehr ruhig, als sie allein in der Stube standen:
„Was bringst du für Nachrichten, Verwandter? Ist er krank, da er nicht mit dir heimkam?“
„Nein, Gaute ist so gesund wie noch nie. Aber seine Begleitung war müde ...“
Er blies den Schaum von dem Bier ab, das Kristin ihm in einer Schale reichte, trank und lobte das Gebräu.
„Ein guter Trunk gebührt dem, der gute Nachricht bringt“, sagte die Hausfrau lächelnd.
„Ja, es fragt sich, was du sagen wirst, wenn du meine Nachricht bis zu Ende angehört hast“, erwiderte er ganz verzagt. „Er kam dieses Mal nicht allein, dein Sohn ...“
Kristin stand abwartend da.
„Mit ihm kommt - ja, die Tochter Helges von Hovland - er hat diese - diese Maid - ihrem Vater wohl mit Gewalt entrissen ...“
Kristin sagte immer noch nichts. Aber sie setzte sich auf die Bank ihm gerade gegenüber. Ihr Mund war schmal und zusammengekniffen.
„Gaute bat mich, hierherzukommen - er fürchtete wohl, dir könnte dies alles wenig behagen. Er bat mich, dir dies zu sagen -und das habe ich jetzt getan“, schloß Herr Sigurd schwach.
„Du mußt alles sagen, was du über diese Sache weißt, Sigurd“, bat Kristin ruhig.
Das tat denn Herr Sigurd - unklar und verworren, mit viel unnützen Worten. Er war wohl selber ganz entsetzt über Gautes Handlungsweise. Aber Kristin hörte aus seinem Bericht heraus, daß Gaute das Mädchen wohl schon im vergangenen Jahr in Björgvin getroffen hatte. Jofrid hieß sie - nein, nein, verlobt war sie nicht. Aber Gaute hatte wohl begriffen, daß es nutzlos war, mit ihren Verwandten über das Mädchen zu sprechen: Helge auf Hovland war überaus reich, stammte aus dem Geschlecht, das sich Duk nannte und den größten Teil seiner Besitztümer auf Voß hatte. So hatte denn der böse Feind die beiden jungen Menschen in Versuchung geführt. - Herr Sigurd schüttelte sich in seinen Kleidern und kratzte sich am Kopf, als sei er völlig verlaust.
Ja, dann im Sommer, als Kristin glaubte, Gaute sei auf Sundbu und begleite Herrn Sigurd auf die Jagd nach den beiden Raubbären oben bei den Almen, war er statt dessen über das Gebirge nach Sogn gezogen - sie weilte dort bei einer verheirateten Schwester zu Besuch. Helge hatte drei Töchter und keinen Sohn. Sigurd stöhnte in großer Not - ja, er hatte Gaute versprochen, davon zu schweigen. Er hatte wohl gewußt, daß der Junge dort ein Mädchen besuchte - aber daß Gaute an so etwas Unvernünftiges dachte, hätte er sich doch nie träumen lassen.
„Ja, das wird er vielleicht noch teuer büßen müssen, mein Sohn“, sagte Kristin. Ihr Gesicht war dabei ganz starr und ruhig.
Sigurd sagte, nun setze ja der Winter allen Ernstes ein - die Wege seien schwer fahrbar. Und wenn die Leute auf Hovland Zeit hätten, die Sache zu überlegen, so würden sie vielleicht finden, es sei das beste, wenn Gaute Jofrid mit der Einwilligung ihrer Verwandten bekäme - da sie ihm doch bereits gehöre.
„Aber wenn sie das nicht finden, sondern Rache für Frauenraub fordern?“
Herr Sigurd wand sich hin und her und kratzte sich noch eifriger.
„Ja, das läßt sich wohl nicht durch eine gerichtliche Buße sühnen“, sagte er leise. „Ich weiß das nicht so genau ...“
Kristin schwieg. Da begann Herr Sigurd wiederum mit flehender Stimme:
„Gaute sagt so: Er erwarte, daß du sie liebevoll aufnehmen würdest. Er sagte, du seist doch noch keine so alte Frau, daß du vergessen haben könntest... Ja, er meinte, du hättest doch auch den Mann bekommen, den du selber haben wolltest, begreifst du?“
Kristin nickte.
„Sie ist das schönste Kind, das ich in
Weitere Kostenlose Bücher