Kristin Lavranstochter 2
meinem ganzen Leben gesehen habe, Kristin“, sagte Sigurd innig. Die Augen wurden ihm feucht. „Schlimm ist, daß der Teufel Gaute zu dieser Missetat verführt hat - aber du wirst doch diese beiden armen Kinder freundlich aufnehmen?“
Kristin nickte wiederum.
Das Tal lag aufgelöst da, fahl und schwarz unter prasselnden Regenschauern, als Gaute um die Zeit der None auf den Hofplatz einritt.
Kristin fühlte, wie ihr der kalte Schweiß die Stirn betaute, als sie gebückt zur Tür hinaustrat - da stand Gaute und hob eine Frau in schwarzem Umhang vom Pferd herab. Sie war klein von Wuchs, reichte dem Mann kaum bis an die Schultern. Gaute wollte ihre Hand ergreifen und sie führen - sie aber schob ihn beiseite und ging Kristin allein entgegen. Da hatte Gaute es sehr eilig, das Gesinde zu begrüßen und den Knechten, die mit ihm gewesen waren, Befehle zu erteilen. Als er wiederum zu den beiden Frauen an der Tür hinsah, stand Kristin da und hielt das fremde Mädchen an beiden Händen gefaßt. Mit einem frohen Ruf auf den Lippen sprang Gaute hinzu. Drinnen in der Vorstube legte Herr Sigurd den Arm um seine Schulter, klopfte ihn väterlich, schnaufte und keuchte nach der Spannung.
Kristin war überrumpelt worden, als das Mädchen ein so weißes und so liebliches Gesicht in der triefend nassen Kapuze zu ihr aufhob - und sie war so blutjung und kindlich klein. Da sagte die Fremde:
„Ich erwarte mir keinen Willkomm von Euch, Gautes Mutter - aber jetzt sind mir alle Türen verschlossen außer dieser. Wenn Ihr mich hier auf dem Hof dulden wollt, Hausfrau, so werde ich nie vergessen, daß ich ohne Habe und ohne Ehre hierherkam, aber mit dem guten Willen, Euch und Gaute, meinem Herrn, zu dienen ...“
Da hatte Kristin beide Hände des Mädchens ergriffen, noch ehe sie recht wußte, wie dies geschah.
„Gott verzeihe meinem Sohn, was er an dir verbrochen hat, mein schönes Kind - komm herein, du, Jofrid; Gott stehe euch bei, so gewiß, wie auch ich dir nach besten Kräften beistehen will!“
Gleich darauf schien es ihr aber, sie habe diese Frau, die sie nicht kannte, allzu liebevoll aufgenommen. Doch jetzt hatte Jofrid ihre Hüllen abgelegt. Ihr schweres Wintergewand aus wasserblauem, hausgewebtem Fries war unten am Saum ganz naß und oben an den Schultern durch den Umhang hindurch völlig durchweicht. Und es lag eine sanfte, bekümmerte Würde über diesem kindlich jungen Mädchen - sie hielt den kleinen Kopf mit dem schwarzen Haar anmutig gebeugt, zwei dicke pechschwarze Zöpfe reichten ihr bis zur Mitte. Liebevoll ergriff Kristin Jofrid bei der Hand und führte sie an den wärmsten Platz auf der Bank beim Ofen. „Du mußt doch frieren?“
Gaute kam herbei und schloß die Mutter heftig in seine Arme.
„Mutter! Mag es gehen, wie es will - habt Ihr schon eine so liebliche Maid gesehen wie meine Jofrid? Sie muß ich besitzen, dachte ich, koste es, was es wolle - und Ihr werdet ihr hold gesinnt sein, liebste Mutter?“
Lieblich war Jofrid Helgestochter - Kristin mußte sie immer und immer wieder anschauen. Sie war von kleinem Wuchs, mit breiten Schultern und Hüften, aber rund und wohlgeformt. Und ihre Haut schien so weich und rein, daß sie dennoch schön war, ihr Gesicht leuchtete ganz weiß. Kurze und breite Gesichtszüge hatte sie, aber der weite starke Bogen von Wangen und Kinn machte auch dies schön, und sie hatte einen großen hellroten Mund mit schmalen Lippen und regelmäßigen, kleinen Zähnen, den Milchzähnen eines Kindes gleich. Und wenn sie die schweren Augenlider hob, so waren ihre kleinen graugrünen Augen unter den langen Wimpern wie strahlende Sterne. Schwarzes Haar, helle Augen - das war für Kristin stets das Schönste gewesen seit jenem ersten Mal, da sie Erlend sah; dies hatten auch die meisten ihrer eigenen schönen Söhne.
Kristin führte Jofrid zu dem Platz auf der Frauenbank an ihrer eigenen Seite. Fein und schüchtern saß Jofrid zwischen den fremden Leuten, aß wenig und errötete leicht, sooft Gaute ihr während der Mahlzeit zutrank.
Er flammte vor Stolz und unruhigem Glück, wie er so in seinem Hochsitz saß. Zu Ehren der Heimkehr des Sohnes hatte Kristin an diesem Abend ein Tuch auf den Tisch gebreitet und zwei Kerzen auf Leuchtern aus vergoldetem Kupfer aufgestellt. Gaute und Herr Sigurd tranken einander immer wieder zu, und der alte Herr wurde immer gerührter, legte den Arm um Gautes Schulter und versprach, die Angelegenheit bei seinen reichen Verwandten, ja bei König Magnus selber
Weitere Kostenlose Bücher