Kristin Lavranstochter 2
mir, Euch an die Hand gehen zu dürfen. Vielleicht werdet Ihr mich dann bald besser leiden können, als ich es jetzt wohl erwarten darf.“
Dann aber mußte Kristin der Jungen zeigen, was sie in ihren Truhen besaß, und Jofrid lobte all die schönen Handarbeiten Kristins so sehr, daß die ältere Frau ihr gar manches schenkte -darunter zwei Leinenlaken mit geknüpften Spitzen aus Seide, ein blaugesäumtes Handtuch, ein schönes Webstück und zum Schluß den langen Wandteppich mit der Falkenjagd. „Es ist mein Wunsch, daß diese Dinge nicht vom Hof hier wegkommen - und mit Gottes und Unserer Lieben Frau Hilfe wird dieses Haus einmal dir gehören.“ Dann gingen sie gleich miteinander zu den Vorratshäusern hinüber - so brachten sie viele und behagliche Stunden zu.
Kristin wollte Jofrid ihr grünes Frieskleid mit den eingewebten schwarzen Noppen geben - aber Jofrid fand es viel zu gut für ein Arbeitskleid. Die Arme, sie wollte sich gewiß bei der Schwiegermutter einschmeicheln, dachte Kristin und verbarg ein Lächeln. Endlich fanden sie einen alten braunen Kittel, von dem Jofrid meinte, er könne passen, wenn sie ihn unten abschneide und unter den Armen und an den Ellbogen neue Stücke einsetze. Voller Eifer lieh sie sich sofort Schere und Nähzeug und machte sich ans Nähen. Da nahm auch Kristin eine Arbeit zur Hand, und so saßen die beiden Frauen beisammen, als Gaute und Herr Sigurd zum Nachtmahl hereinkamen.
3
Kristin gab aus vollem Herzen zu, daß Jofrid eine Frau war, die nützliche Hände hatte. Wenn es gut ging, so hatte Gaute Glück gehabt, denn er bekam dann eine Frau, die ebenso fleißig und tüchtig war wie reich und schön. Sie selbst hätte für ihn keine tüchtigere Frau als ihre Nachfolgerin auf Jörundhof finden können - und wenn sie in ganz Norwegen gesucht hätte. So sagte sie einmal, und hinterher wußte sie Selbst nicht, wie die Worte ihrem Munde entflohen waren - daß sie an dem Tag, an dem Jofrid Helgestochter Gautes Ehegemahl würde, der jungen Hausfrau die Schlüssel übergeben und mit Lavrans in die Altstube ziehen wolle.
Hinterher dachte sie wohl, sie hätte sich dies genauer überlegen sollen, ehe sie davon sprach. Sie war jetzt schon oft sehr rasch gewesen, wenn sie mit Jofrid redete.
Nun aber stand es so, daß Jofrid nicht ganz gesund war.
Kristin hatte es fast sofort gemerkt, als das junge Mädchen auf den Hof kam. Und Kristin entsann sich jenes ersten Winters, da sie auf Husaby lebte: sie war verheiratet, ihr Mann und ihr Vater waren durch Verwandtschaft miteinander verbunden, gleichviel, wie die Freundschaft zwischen ihnen sich auch weiterhin gestalten würde, wenn das Unrecht an den Tag käme. Trotzdem hatte sie schwer unter Reue und Scham gelitten, Bitterkeit im Herzen gegen Erlend empfunden - und sie war volle neunzehn Winter alt gewesen; Jofrid hatte eben erst das siebzehnte Jahr vollendet. Und da ging sie nun umher, verführt und rechtlos, fern von ihrem Heim, unter Fremden, mit Gautes Kind unter dem Herzen. Kristin gestand sich selbst ein, daß Jofrid viel stärker und mutiger zu sein schien, als sie selbst gewesen war.
Aber Jofrid hatte nicht den Klosterfrieden gekränkt, hatte nicht Versprechen und Gelöbnisse gebrochen, nicht verraten und gelogen und den Eltern hinterrücks die Ehre gestohlen. Wenngleich diese beiden jungen Menschen verwegen gegen die Gesetze des Landes, gegen Gehorsam und Sittlichkeit gehandelt hatten - so brauchten sie doch kein so schlechtes Gewissen zu haben wie sie selbst damals. Kristin betete viel darum, daß Gautes Tollheit gut ausgehen möge, und sie tröstete sich mit Gottes Gerechtigkeit, die Gaute und Jofrid doch unmöglich härtere Bedingungen auferlegen könnte, als ihr selbst und Erlend beschieden waren - und sie hatten doch geheiratet, ihr Sündenkind kam als gesetzlicher Erbe aller seiner Verwandten zur Welt.
Da weder Gaute noch Jofrid über diese Sache ein Wort äußerten, wollte Kristin sie nicht berühren, obgleich sie sich danach sehnte, mit der unerfahrenen jungen Frau zu sprechen: Jofrid hätte sich jetzt schonen sollen, hätte in den Morgenstunden ruhen sollen, anstatt als erste von allen auf dem Hof aufzustehen. Kristin merkte, daß Jofrid ihren Ehrgeiz dareinsetzte, noch vor der Schwiegermutter aufzusein und mehr auszurichten. Aber Jofrids Wesen war nicht von der Art, daß Kristin sich ihr hätte anbieten und ihr Mitleid hätte zeigen können. Sie vermochte nur in aller Stille ihr die schwerste Arbeit abzunehmen und ihr
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