Kristin Lavranstochter 2
gleichzeitig verlegen und stolz. Kristin sah, Lavrans verstand wohl, daß diese ungesetzliche Hochzeit seines Bruders ein gefährliches Spiel war, aber er war ausgelassen und übermütig von diesem merkwürdigen Ereignis - betrachtete Gaute und sein schönes Weib mit blitzenden Augen.
Auf der Treppe erlosch das Licht. Jofrid sagte zu Kristin:
„Gaute hätte Euch nicht um diesen Gefallen bitten sollen, obgleich er betrunken ist - geht nicht weiter mit mir, Hausfrau. Fürchtet nicht, ich könnte vergessen, daß ich ein verführtes Weib bin, ausgestoßen aus der Gemeinschaft meiner Verwandten.“
„Ich bin nicht zu gut, dir zu dienen“, erwiderte Kristin, „bis mein Sohn seine Sünde an dir gebüßt hat und du mich mit Recht Schwiegermutter nennen kannst. Setz dich, dann werde ich dein Haar kämmen - unvergleichlich schönes Haar hast du, Kind.“
Aber als das Gesinde schlafen gegangen war und Kristin in ihrem Bett lag, fühlte sie abermals eine gewisse Unruhe; eigentlich hatte sie dieser Jofrid doch mehr gesagt, als sie verantworten konnte - vorerst. Aber sie war so jung - und sie ließ so deutlich erkennen, daß sie nicht verlangte, besser beurteilt zu werden, als sie war: ein Kind, das von Ehre und Gehorsam davongelaufen war.
So sah es also aus - wenn man Brautritt und Heimkehr vor die Hochzeit setzte. Kristin seufzte - einmal war sie selbst bereit gewesen, auch dies für Erlend zu wagen, aber sie wußte nicht, ob sie den Mut gehabt hätte, wenn seine Mutter auf Husaby gewesen wäre. Nein, nein, sie wollte es diesem Kind dort oben nicht schwerer machen ...
Herr Sigurd taumelte noch in der Stube umher - er sollte mit Lavrans schlafen; ziemlich gerührt, aber herzlich wohlmeinend, sprach er über die beiden jungen Leute - er wolle es an nichts fehlen lassen, um ihnen zu einem guten Ausgang dieses Wagespiels zu verhelfen ...
Am Tag darauf zeigte Jofrid der Mutter Gautes alles, was sie auf den Hof mitgebracht hatte: zwei Fellsäcke mit Kleidern und in einem kleinen, aus dem Zahn eines Walrosses angefertigten Schrein ihren Schmuck. Als habe sie Kristins Gedanken gelesen, sagte Jofrid, daß alles ihr eigener Besitz sei, Dinge,
die sie geschenkt erhalten habe - Gaben und Erbstücke, meist von der Mutter her; sie habe ihrem Vater nichts weggenommen.
Kristin saß bekümmert da, das Kinn in die Hand gestützt. Sie dachte an jene Nacht vor ewig langer Zeit, da sie selbst ihren Schmuck in den Schrein legte, um sich von daheim wegzustehlen - das meiste von dem, was sie hineingelegt hatte, waren Gaben der Eltern, die sie im geheimen betrogen hatte und die sie dann vor aller Augen kränken und betrügen wollte.
Aber wenn dies Jofrids eigener Besitz und mütterliches Erbe war, allein an Schmuckstücken, dann mußte sie ja aus einem ungeheuer reichen Heim stammen. Kristin schätzte die Sachen, die sie hier sah, auf mehr als dreißig Mark in gebranntem Silber - allein das Scharlachgewand mit weißem Pelz und Silberösen und die dazugehörige, mit Seide gefütterte Kapuze hatten wohl an die zehn bis zwölf Mark gekostet. Wollte der Vater des Mädchens sich mit Gaute aussöhnen, so war das schön und gut von ihm - aber man konnte ihren Sohn unmöglich als eine ebenbürtige Heirat für diese Frau ansehen. Und wollte Helge Gaute so hart bedrängen, wie er das Recht und die Macht hatte, so sah es schlimm aus.
„Diesen Ring“, sagte Jofrid, „trug meine Mutter stets - wollt Ihr ihn annehmen, Hausfrau, so weiß ich, daß Ihr nicht so streng über mich urteilen werdet, wie es von einer guten und aus vornehmem Geschlecht stammenden Frau zu erwarten wäre.“
„Ja, da muß ich wohl auch versuchen, Mutterstelle an dir zu vertreten“, sagte Kristin lächelnd und schob den Ring auf ihren Finger. Es war ein kleiner silberner Ring mit schönem weißem Achat, und Kristin schien es, als halte ihn das Kind für ein besonders kostbares Stück, da er eine Erinnerung an ihre Mutter war. „Ich muß dir wohl ein Gegengeschenk machen, denke ich.“ Sie holte ihren Schrein herbei und suchte den goldenen Ring mit den Saphiren hervor. „Diesen Ring legte mir sein Vater aufs Bett, als ich Gaute zur Welt gebracht hatte.“
Jofrid nahm ihn mit einem Handkuß entgegen.
„Aber ich hatte vor, mir eine andere Gegengabe zu erbitten -Mutter...“ Sie lächelte so liebreizend. „Fürchtet nicht, daß Gaute ein faules oder untüchtiges Weib heimgebracht habe. Doch ich besitze kein passendes Arbeitsgewand. Gebt mir ein altes von Euch und gewährt
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